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[Judenhass von heute]
I. Kapitel: Antisemitismus nach dem Weltkrieg
Auszüge aus dem 1935 im Paneuropa-Verlag in Wien und Zürich erschienenen Buch von R.N. Coudenhove-Kalergi. Wenn hier vom Weltkrieg die Rede ist, ist also der I. Weltkrieg gemeint.



Teil 6.:
Juden als angebliche Christusmörder:
Christentum und Antisemitismus

Neben dem lauten Antisemitismus der Nationalisten hat sich auch in unseren Tagen der stille Antisemitismus der Christen erhalten.

Dieser Antisemitismus ist augenblicklich weniger sichtbar, weil hervorragende Vertreter der christlichen Weltanschauung sich gegen den heidnischen Rassenantisemitismus kehren und damit als Gegner des Antisemitismus erscheinen. In Wahrheit richtet sich ihr Kampf nicht gegen den Antisemitismus schlechthin, sondern gegen den Antisemitismus der Neuheiden, der zugleich die christliche Weltanschauung bedroht.

Diese Einstellung bedeutet aber nicht, dass das Christentum dem Antisemitismus entsagt. Im Gegenteil: die allgemeine Welle des modernen Antisemitismus hat auch auf das christliche Lager übergegriffen.

Während in früheren Zeiten die Hauptobjekte des christlichen Antisemitismus die Anhänger des jüdischen Glaubens waren, richtet sich heute der christliche Antisemitismus weniger gegen die orthodoxen Juden als gegen die jüdischen Freidenker, gleichviel ob sie sich offiziell zum Judentum bekennen oder zum Christentum oder zu keiner Religion. Denn diese Freidenker bilden die größte Gefahr für die Zukunft des Christentums: eine ungleich größere Gefahr, als es jemals das orthodoxe Judentum sein kann.

Aus dem Freidenkertum ist der Bolschewismus hervorgegangen, der in Sowjetrussland einen Kampf auf Leben und Tod mit dem Christentum führt. Aber auch in Europa und Amerika sucht er auf jede Weise die Macht, den Einfluss und die Autorität des Christentums zu untergraben.

Dieses Freidenkertum rekrutierte sich vielfach aus dem Judentum. Aus Juden, die den Glauben ihrer Väter verlassen haben, ohne sich innerlich zum Christentum zu bekehren. Selbst wenn sie äußerlich getauft sind, so haben sie nur in den seltensten Fällen die christliche Weltanschauung angenommen.

Gegen diese Juden wendet sich der christliche Antisemitismus. Er wendet sich nicht gegen Juden, die aus Überzeugung Christen geworden sind; ebenso wenig gegen Nachkommen von Juden, die christlich erzogen wurden und diesem ihrem Glauben treu bleiben. Dagegen bekämpft er mit der gleichen Schärfe alle Freidenker nicht jüdischer Abstammung: so dass dieser Antisemitismus mehr indirekt als direkt ist; eher ein Kampf gegen die europäischen Nichtchristen als ein Kampf gegen die Juden.

Der eigentliche Kampf des Christentums gegen die Juden hat sich nicht geändert. Er wurzelt in der Frage der Messianität Christi. Einen Frieden oder ein Kompromiss kann es nicht geben zwischen zwei Religionen, von denen die eine überzeugt ist, dass Christus der verheißene Messias war, während die andere mit aller Kraft diesen Glauben bekämpft.

Dieser religiöse Kampf wird dauern, solange diese beiden Religionen nebeneinander bestehen. Er wird sich abschwächen, wo der Fanatismus dieser beiden Religionen nachlässt, er wird aufflammen, wo der religiöse Fanatismus aufflammt.

Von Mensch zu Mensch können Juden und Christen einander als gleichwertig anerkennen — aber nicht als Juden und Christen.

Würde das Christentum die Macht wiedergewinnen, die es im Mittelalter besaß, so würde es wie damals den Kampf führen gegen die jüdische Religion; und hätten orthodoxe Juden die gleiche ziffernmäßige Überlegenheit über eine christliche Minderheit, so wären sie nicht Weniger intolerant in der Verfolgung des Christentums. Die Einseitigkeit der Judenverfolgungen liegt nicht in der größeren Toleranz des jüdischen Glaubens, sondern darin, dass in den letzten Jahrhunderten die Juden Minderheit waren, die Christen Mehrheit.

Der christliche Judenhass wird bleiben, unabhängig von allen Rassentheorien: er richtet sich nicht gegen die semitische oder jüdische Rasse, sondern gegen die jüdische Religion.

Dieser christliche Judenhass ist in unzähligen Fällen der Vater des antisemitischen Instinktes und des Rassenantisemitismus.

Das Grundphänomen des modernen Antisemitismus ist die tiefgehende Antipathie, die der irreligiöse Antisemit von heute gegen alles empfindet, was ihm als jüdisch erscheint. Diese Antipathie führt er auf die Erkenntnis zurück, das Judentum sei eine minderwertige Rasse, die er mit Recht fürchtet und hasst, verachtet und verfolgt — und beruft sich dabei meist auf die Rassentheorien Chamberlains, Weinigers und deren Epigonen.

Der antisemitische Instinkt, der sich durch eine Rassentheorie zu rechtfertigen versucht und sich für deren Äußerung hält, begeht jedoch einen Trugschluss. Ursache und Wirkung werden verwechselt: bei fast allen Antisemiten ist der gefühlsmäßige Antisemitismus älter als ihr Wissen um Rassentheorien — ihr praktischer Antisemitismus älter als ihr theoretischer. Ihre antisemitische Gesinnung konnte also nicht die Folge ihrer antisemitischen Überzeugung sein — sondern nur deren Ursache.

Fast in allen Fällen geht die Entstehung des Judenhasses der Kritik der Judenfrage voraus: Antisemitismus gründet sich also nicht auf ein Urteil — sondern auf ein Vorurteil; nicht auf Erkenntnisse — sondern auf Instinkte.

Instinkte können entweder natürlich oder künstlich, angeboren oder erworben sein. Manche Antisemiten behaupten, es handle sich beim Antisemitismus um einen angeborenen, natürlichen Rasseinstinkt, vergleichbar etwa mit der Antipathie zwischen Hunden und Wölfen. Die Irrigkeit dieser Behauptung ergibt sich aus der Erfahrungstatsache, dass niemand mit Sicherheit Juden von Nicht-Juden unterscheiden kann und dass auch der extremste Antisemit keinerlei Rassenantipathie gegen Juden und Jüdinnen empfindet, die er nicht als solche erkennt: erst wenn er deren Judentum in Erfahrung bringt, erwacht sein antisemitisches Vorurteil. Umgekehrt findet es sich häufig, dass der Antisemitismus christlich erzogener Judenkinder sich in nichts von dem ihrer Kameraden christlicher Herkunft unterscheidet. Der gefühlsmäßige Judenhass ist, ebenso wie der Deutschenhass der Franzosen und der Franzosenhass der Deutschen, hervorgegangen aus Missverständnissen, Missdeutungen und Verallgemeinerungen, aus Vorurteil und Massensuggestion. Ein Jude, ein Franzose und ein Deutscher, die, ohne Kenntnis ihrer Abstammung, von frühester Kindheit an gemeinsam als christliche Anglo-Amerikaner erzogen würden — könnten gegeneinander weder Rassen- noch Nationalhass empfinden.

"Die Juden haben Christus umgebracht!"

Der Antisemitismus beruht also auf einem künstlichen — nicht auf einem natürlichen Instinkt; er ist erworben — nicht angeboren.

Die Entstehungsgeschichte des antisemitischen Instinktes führt uns in die ersten Kinderjahre. Seit Freuds Entdeckungen steht zweifelhaft fest, dass die Kinderseele die Retorte ist, in der ein großer Teil der späteren Instinkte und Gefühle entsteht. Verschüttete Kindheitseindrücke und -Vorurteile senken sich ins Unterbewusste und wandeln sich da in Instinkte.

Auch der antisemitische Instinkt entsteht fast immer aus einem infantilen Vorurteil.

Das Kind sieht ein Kruzifix und fragt nach dessen Bedeutung. Es erhält zur Antwort, dass der Mann auf dem Kreuz der liebe Heiland (den es als "Christkind" liebt und verehrt) sei, der von den Juden zu Tode gemartert wird. Im Kinde erwacht natürlicherweise ein tiefes Mitleid mit dem Heiland, verbunden mit einem ebenso tiefen Abscheu gegen dessen Feinde und Mörder: "die Juden". Wenn es in der Folge von Juden hört oder Juden sieht, assoziiert es dieselben spontan mit den Christusmördern und empfindet gegen sie eine wohlbegründete Antipathie. Mit dieser Antipathie wächst das Kind auf und begegnet den Juden, mit denen es in Berührung kommt, voreingenommen, misstrauisch und feindselig; natürlich stößt dieses Benehmen auf Gegenseitigkeit und liefert so dem Antisemitismus immer neue Nahrung.

Der Antisemit wird zum Jüngling, verliert seinen Kinderglauben und vergisst die ersten judenfeindlichen Einflüsse seiner Kindheit. Dagegen behält er seine Antipathie gegen die Juden, die ihm nun, da ihm ihre Entstehungsgeschichte entfallen ist, als angeborener Instinkt, als Ausdruck eines intuitiven Wissens erscheint. Für diesen wurzellos gewordenen Gefühlsantisemitismus sucht er nach neuen theoretischen Rechtfertigungen und greift nach rassentheoretischen Abhandlungen, nicht um sein Vorurteil zu überprüfen, sondern um es zu bestätigen. Der pseudowissenschaftliche Rassenantisemitismus wirkt auf ihn wie eine Offenbarung, der er kritiklos folgt, weil sie seinen Instinkten entgegenkommt, seiner Eitelkeit schmeichelt und seine Vorurteile wissenschaftlich rechtfertigt. So entwickelt er sich unter der Suggestion gleichgesinnter Freunde zum fanatischen Rassenantisemiten, den kein Gegenargument beirrt, weil sein Instinkt und sein Rassenglauben sich gegenseitig stützen.

Bei irreligiöser Kindererziehung suggerieren von klein auf antisemitische Verwandte, Kinderfrauen oder Erzieher ohne das Medium der Religion durch spöttische oder gehässige Bemerkungen über die Juden ihre eigenen Vorurteile den Kindern. Hier wird der religiöse Antisemitismus dem Kinde nicht direkt, sondern aus zweiter oder dritter Hand eingeimpft: denn, wenn wir die Spuren des Antisemitismus jener Erzieher zurückverfolgen, stoßen wir früher oder später auf jene oben geschilderte, religiöse Quelle (die behauptet: "Die Juden haben Christus umgebracht").

Direkt oder indirekt ist also, fast immer, der religiöse Antisemitismus Vater des Instinktantisemitismus — wie dieser Vater des Rasseantisemitismus ist. Das religiöse Vorurteil ist hier primär — die Antipathie sekundär — das Rassenvorurteil tertiär.

Durch Suggestion und Verhetzung hat sich der Antisemitismus fast zu einer Massenpsychose entwickelt. Diese Psychose, die bei vielen Menschen Symptome des Pathologischen, der fixen Idee, trägt, ist nur zu heilen durch einen klaren Einblick in ihre Ursachen und durch die Erkenntnis ihrer Entstehung. Denn ein Vorurteil als solches erkennen, bedeutet den ersten Schritt zur Befreiung aus dessen Gewalt.

Wenn erst die gebildeten Antisemiten zur Erkenntnis gelangen, dass der individuelle Antisemitismus ebenso wie der historische auf religiösem Fanatismus beruht und dass ihre wissenschaftlichen Überzeugungen sich auf die religiösen Vorurteile ihrer Kinderfrauen gründen — dann können sie sich endlich von ihrem Wahne befreien.

Wie bei der psychoanalytischen Therapie handelt es sich hier darum, ein verschüttetes Kindheitserlebnis ins Bewusstsein zurückzurufen, um die Befreiung von einem zum Instinkt gewordenen Vorurteil durchzuführen.

Teil 7.:
Neuheidnischer Antisemitismus
Der christliche Antisemitismus fordert Assimilation: allmähliche Bekehrung aller Juden zum Christentum. Der Rassenantisemitismus lehnt die Assimilation ab: denn er will die Trennung zwischen Juden und Nicht-Juden nicht verwischen, sondern verstärken. Darum kritisiert er die Möglichkeit der Judentaufe und versucht die getauften Juden und ihre Nachkommen in die jüdische Gemeinschaft zurückzustoßen. Und darum ist ihm die jüdische Religion eine willkommene Scheidewand zwischen Juden und Nicht-Juden...

hagalil.com 2007