Leserrief an div. Zeitungen Kt. Schwyz, 5.2.09 Fragwürdige Reformen, die ETH-Studie und die Schwyzer Gymnasien --------------------------------------------------------------- Bei allen Vorbehalten zu den Aussagen der ETH-Studie über die Erfolgsquoten unserer Gymnasiasten an der ETH ist die von ihr ausgelöste Diskussion für unsere Schwyzerischen Gymnasien durchaus zu begrüssen. Dass unsere Schulen im Vergleich mit anderen Kantonen eher schwach abschneiden, ist offensichtlich, und das hat auch handfeste Gründe struktureller Art: 1. die Verkürzung der Gymnasialzeit von fünf auf vier Jahre, 2. die neue Maturitätsverordnung und die Art ihrer Umsetzung in unserem Kanton und 3. die Abschaffung des Hauptlehrerstatus. Als Mathematiklehrer und zeitweise Rektor der Kantonsschule Pfäffikon (heute KSA) habe ich diese Veränderungen hautnah mitbekommen. Zu 1.: Um 1993 beschloss die Regierung, die Schulzeit der Gymnasien um ein volles Jahr zu verkürzen. Dies geschah heimlich, ohne jede Vernehmlassung im Vorfeld wie sonst üblich. Auch die Rektoren erfuhren erst im Nachhinein von diesem Beschluss. Im ED wurde behauptet, dies sei ohne jede Einbusse bei der Qualität der Bildung möglich; wir müssten halt etwas effizienter unterrichten und auf einige "Liebhabereien" verzichten. Inhaltlich durften aber auf Drängen der Maturitätskommission keine Kürzungen im Lehrplan vorgenommen werden. So musste dann alles in wesentlich kürzerer Zeit und damit viel oberflächlicher behandelt werden, was sich vor allem im Mathematikunterricht verhehrend auswirkte. Es geht auf Kosten der sicheren Beherrschung von grundlegenden Techniken (etwa der Algebra), die für das Fortkommen an der ETH entscheidend sind. Im Jahr 1995 beteiligte sich die Kantonsschule Pfäffikon nebst anderen Gymnasien aus der ganzen Schweiz an der "Third International Mathematics and Science Study" (TIMSS) mit allen Matura-Klassen und schnitt dabei vorzüglich ab. Leider machte die Schweiz bei den späteren Wiederholungen (alle vier Jahre) nicht mehr mit. Wir Fachlehrer waren sicher, dass die späteren vierjährigen Maturajahrgänge in diesem Test sehr viel schlechter abgeschnitten hätten, so wie wir auch die Ansprüche in den Maturaprüfungen massiv reduzieren mussten. Von Seiten der Schwyzerischen Erziehungsbehörden unterblieb aber jede Evaluation über die Auswirkung dieser Verkürzung. Zu 2. Das von Bund und Kantonen 1995 eingeführte neue Maturitätsanerkennungsreglement MAR zur Anpassung an gesamteuropäische Strukturen führte zur Auflösung der bewährten Maturitätstypen. Das waren an der KSP das mathematisch-naturwissenschaftliche Gymnasium und das Wirtschaftsgymnasium, die in getrennten Klassenzügen mit eigenen Lehrplänen geführt wurden. Auch nach der neuen MAR sind solche Profilzüge weiterhin möglich und werden in vielen Kantonen (auch Zürich), aber auch an der Stiftsschule Einsiedeln (altsprachliches Profil), geführt. An den Schwyzerischen Kantonsschulen aber werden jetzt profillose Einheitszüge geführt. In ihnen werden etwa die Grundlagen der Mathematik für ein buntes Schülergemisch von künftigen Kindergärtnerinnen bis zu Physikern im Schnellzugstempo dargeboten. In den gewählten Schwerpunkt- und Ergänzungsfächern werden interessante Zusatzthemen behandelt, sie eignen sich aber nicht für das Aufpolieren mangelhafter Grundlagen für künftige ETH-Studenten. Zu 3. Hauptlehrer waren vom Regierungsrat im Beamtenstatus gewählte Lehrer mit fester Anstellung im Rahmen des Stellenplans. Daneben unterrichteten Lehrbeauftragte mit variablen und befristeten Pensen, um die jährlichen Schwankungen ausgleichen zu können. Diese Lehraufträge waren auch gut als Gesellenjahre für junge Hochschulabsolventen. Die Hauptlehrer aber bildeten den Kern des Lehrkörpers als Team, das die Schule trug und gestaltete. Als Hauptlehrer identifizierte man sich in hohem Masse mit seiner Schule, man war mit ihr gewissermassen verheiratet und blieb ihr treu bis zur Pensionierung. Ein starkes Team ist ein wesentlicher Faktor für eine gute Schulkultur. Nach den neueren Anstellungsbedingen ist die Beziehung der Lehrpersonen zur Schule lockerer und flexibler geworden. Der Beruf des Lehrers hat sich in Richtung eines "Jobs" verschoben. Alle drei Massnahmen hatten das gleiche Motiv, die Senkung der Kosten. Die Verkürzung der Gymnasialzeit bedeutet eine Einsparung um 20%; die MAR-Einheitsklassen erlauben eine bessere Auslastung der Klassenbestände; die neuen Anstellungsbedingungen ermöglichen eine flexiblere Bewirtschaftung des Lehrpersonals. Vielleicht will unsere Gesellschaft eine "billigere" Schule. Dann muss sie auch mit den Ergebnissen der ETH-Studie leben. Mit nur kosmetischen Retouchen ist daran nicht viel zu ändern. August Kaiser, Pfäffikon ======================================= Dr.sc.nat. August Kaiser Stegstrasse 18, CH - 8808 Pfäffikon SZ Tel 055 410 39 51 Mail: august.kaiser@alumni.ethz.ch =======================================