Mit dem Rücken zur Wand

5 12 2009

Den Zeitungen in der Schweiz geht es schlecht und die Leser sind die Leidtragenden. Qualitativer Journalismus ist rar geworden. Die Jagd nach Skandalisierung und einer immer noch tolleren Story hat eine regelrechte Boulevardisierungswelle ausgelöst, die selbst vor dem staatlichen Fernsehen keinen Halt macht. Es wird versucht, mit einem Pseudo-Sensationsjournalismus Leser bei der Stange zu halten. Die Folge davon ist, dass früher angesehene Tageszeitungen sich immer mehr den Gratisblättern von 20Minuten und Blick am Abend ähneln. Wieso soll der Abonnement denn noch was dafür bezahlen? In vielen Gegenden  kommt ein Zeitungsabo einem Beitrag an einen Verein gleich, den man halt unterstützt, weil er zur Region gehört. Doch echten Mehrwert erhält man schon lange nicht mehr.

Teures und gutes Personal muss wegen dem finanziellen Druck auf den Redaktionen den jungen Journalisten weichen. Diese schreiben oft nach dem Mund der Öffentlichkeit, selten aber mit Tiefgrund. Wie sollen sie auch? Zeit ist eine teure Mangelware auf den Redaktionen. Als guter Rechercheur gilt heute ein Journalist, welcher Zeit hat, mehr zu lesen als die Konkurrenz und zwei Seiten einer Pressedokumentation. Heute sind Schlagzeilen gefragt. Der Leser wird dabei Tag für Tag verarscht. Oder sagen wir, für dumm verkauft. So geschehen in der Baz von heute. Da wird ein neues Kreuzworträtsel, ein Sudoku und ein künftig umfangreicheres TV-Programm tatsächlich unter dem Titel „Mehr Service für BaZ-Leser“ angekündigt“! So weit sind wir schon.

Das wird sich auch nicht ändern, wenn Zeitungen fusionieren, so wie die gestern in den Medien aufgetauchte Spekulation, dass die NZZ die Baz kaufe. Der Inhalt einer Zeitung wird erst dann besser, wenn die Redaktionen wieder Geld haben. Eine gut funktionierenden Gesellschaft ist auf eine qualitativ hochstehende Medienlandschaft angewiesen. Nur dann funktioniert ihr System, gerade jenes so komplexe System einer direkten Demokratie, wie es die Schweiz praktiziert. Medien sind immer noch Informationsquelle Nummer 1 bei den Leuten, seien es TV, Radio, Internet oder Zeitungen. Wenn alle nur noch in Richtung Boulevard tendieren, dann ist dies das Aus einer gut informierten Gesellschaft.

Wie aber rettet man die Zeitungen. In den USA kam die Idee von Stiftungen auf, welche dann die Redaktionen unabhängig vom Inseraterfolg finanzieren können. Man könnte aber auch an eine Staatshilfe für Zeitungen denken. Wieso eigentlich nicht? Ein Versuchballon zur Eröffnung einer Diskussion wäre es auf jeden Fall wert. Sicherlich werden die schlecht geführten Zeitungen nicht überleben. So soll es auch sein, gerettet werden soll nur, wer auch ein überzeugendes und nachhaltiges Konzept hat. Aber wenn auf den Redaktionen erstmal wieder die Qualität steigt, dann können sich einige langfristig auch wieder auf dem Leser- und Werbemarkt durchsetzen. Dann haben dieLeser wieder eine Wahl. Die haben Sie heute nicht. Heute sind 80% der Tageszeitungen in der Schweiz gleichgestrickt und dann gibt es noch die NZZ, die Weltwoche und die WOZ. Salopp gesagt.