Der Frauenbrunnen des Klosters Einsiedeln

Wie archäologische Funde aus der Stein- und Bronzezeit belegen, streiften bereits vor 12.000 Jahren Jäger in dem einst dicht bewaldeten Gebiet umher. Bis ins frühe Mittelalter blieb die Landschaft um Einsiedeln jedoch nur temporär besiedelt.

Ein zentraler Anziehungspunkt der ersten Bewohner muss die Quelle des heute 14-röhrigen Marienbrunnens auf dem Klostervorplatz von Einsiedeln gewesen sein. Man geht davon aus dass die Quelle von den Bewohnern der umgebenden Täler einst als heilig verehrt wurde. Im 14. Jahrhundert und während der darauf folgenden zwei Jahrhunderte ist 'Meinradsbrunnen' als Namen des Brunnens überliefert. 'Meinrad' bedeutet im althochdeutschen soviel wie Weissagung, Ratschlag, Ratgeber und Kraft. Vielleicht war es das, was die heidnischen Waldbauern ursprünglich an der Quelle und im Plätschern des Quellwassers suchten. In christlicher Zeit wäre der Name dann zu dem eines heiligen Einsiedlers umgedeutet worden.

Bis ins 12. Jahrhundert führten die Schwyzer Waldleute mit den Klosterbrüdern, die sich an ihrem Quellheiligtum niedergelassen hatten, um es für die Kirche zu besetzen, einen ständigen Kampf um den geheiligten Quellgrund.


Die früheste bekannte Darstellung des Frauenbrunnens von Einsiedeln, um 1460.
Rudolf von Radegg beschreibt die Quelle in einem historischen Bericht über den Überfall der Waldleute in der Dreikönigsnacht 1314 auf das Kloster jedenfalls als heilig. Nach Radegg soll der Brunnen seine Weihe erhalten haben, weil sein Wasser unter dem Altar der Gnadenkapelle entsprang. Diese inzwischen prächtig geschmückte Kapelle, wird heute mit der hier verehrten schwarzen Madonna inmitten der Klosterkirche gezeigt. Nach dem Quellort sei dann der Name Frauenbrunnen entstanden. Demnach hatten die neuen Glaubensboten auch in Einsiedeln die bekannte Taktik angewandt, heidnische Quellheiligtümer durch Überbauen mit einer christlichen Kapelle zu christianisieren.

Der Wallfahrtsort Maria Einsiedeln (im Finstern Wald) ist der Legende nach eng mit dem Leben des heiligen Meinrad verbunden. Im Jahre 835 soll dieser an der Stelle, wo sich heute die Gnadenkapelle in der Klosterkirche befindet, eine Klause und eine Kapelle errichtet haben, um als Einsiedler seinem Gott zu dienen. Der Legende nach wurde Meinrad 861 von zwei Landstreichern erschlagen (siehe auch Ettenheimmünster, St. Trudbert im Münstertal u.a.). Daraufhin sollen zwei Raben die Mörder verfolgt und vor Gericht geführt haben. Deshalb seien auf dem Wappen von Einsiedeln zwei Raben dargestellt. Die beiden Raben Hugin und Munin waren auch die ständigen Begleiter des in die Zukunft schauenden germanischen Gottes der Weisheit Odin. Dass auf Grund der Gleichheit der Namensbedeutung und der Raben eine Verbindung besteht, ist sehr wahrscheinlich. Das Bild zeigt die Gnadenkapelle mit der schwarzen Madonna um 1900.

Der so genannte Marchenstreit zwischen den Bauern aus der Talschaft Schwyz und dem Kloster konnte erst im Jahre 1350 weitgehend beigelegt werden. Das Verhältnis zwischen den Waldleuten, dem Kloster und der Schwyz war jedoch auch weiterhin spannungsgeladen. Mit der Einrichtung der Schirmvogtei über die Waldstatt 1394 ging die hohe Gerichtsbarkeit an Schwyz. Einsiedeln wurde zur Landschaft des Standes Schwyz. Die niedere Gerichtsbarkeit lag fortan beim Kloster, wodurch das Kloster eine große Macht über die Bevölkerung bekam. Noch im so genannten Einsiedlerhandel (1764-67) wehrten sich die Waldleute gegen die Einschränkung ihrer Freiheiten durch den Abt des Klosters. Schwyz schützte zugleich die Vorrechte des Klosters mit weltlicher Macht und beendete den Bauernaufstand 1766 schließlich mit Gewalt. Mehrere um ihre Freiheit kämpfende Bauern wurden hingerichtet. Die Waldleute verloren ihre Rechte und wurden fortan nicht mehr als gleichberechtigte Freie, sondern nur noch als Schwyzer Untertanen bezeichnet.

Der Glaube an die besondere Heilkraft des Brunnens konnte sich im Volksglauben bis in die Neuzeit erhalten. Hieraus erklärt sich, warum einst Helena Gyr, die Tochter des Pfauenwirtes, während der Franzosenzeit den marodierenden Eindringlingen Geld geboten haben soll, damit sie den Brunnen nicht zerstörten. (Henggeler, Einsiedler Kalender 1949).

klaus kramer

Verwendete Literatur:
Hans Steinegger, Schwyzer Sagen, 1985
Historisches Lexikon der Schweiz, o.D.

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Der Marienbrunnen um 1900.

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