Vater Rhein

Die Quelle des Rheins. Holzstich nach einem Gemälde von J.W. Lindlar, um 1900.
Anmerkungen zum Rhein

Der Name des Rheins wird auf die keltische Bezeichnung 'Renos' oder 'Reinos' zurückgeführt, was so viel wie 'Fluss' oder 'Strom' bedeutet. Für die Menschen, die an seinen Ufern siedelten oder ihn überquerten war es d e r Strom, den sie verehrten und dessen Göttern sie Opfer darbrachten.

Für die Verehrung des Rheins in vorrömischer Zeit können zwei schriftliche Belege angeführt werden: Der römische Dichter Sextius Propertius schreibt im 1. Jh. vor unserer Zeitrechnung, dass der keltische König der Insubrer den Rhein als den Stammvater seines Geschlechts betrachtete. Und durch Aristoteles ist überliefert, dass es bei den Galliern Sitte war, neugeborene Kinder an den Rhein zu bringen, um sie mit seinem Wasser für ihren Eintritt ins Leben symbolisch zu reinigen. Daran lässt sich ablesen, dass die Kelten dem Rhein ähnliche Kräfte zuschrieben, wie die Griechen ihren Flüssen.

Im 2. Jahrhundert beklagt der griechische Arzt Galenus die, wie er schreibt, "entsetzliche Sitte [der Kelten], die Kinder, heiß vom Mutterleibe wie glühendes Eisen in kaltes Flusswasser zu tauchen".

Aus dem 4. Jahrhundert stammt ein Bericht, dass der Rhein unseren Vorfahren zur Kinderprobe diente: Die unehelich geborenen versinken in den Fluten, die ehelich geborenen wiegt Vater Rhein auf seinen Wogen zurück ans Ufer, um sie der Mutter zurück zu gegeben.

Aus dem 15. Jahrhundert ist durch den Theologen Michael Apostolios (gest. 1480) ein Sprichwort überliefert, das auf den vorgenannten Brauch zurückgeht: "Der Rhein entlarvt den Falschen."

Funde von Opfergaben an die Gottheit des Rheins reichen weit in vorgeschichtliche Zeiten zurück. Tausende von Flussfunden aus römischer Zeit belegen, dass auch die Römer den Rhein während des halben Jahrtausends, in dem sie an den Ufern des Stroms siedelten, ebenso verehrten wie die Flüsse Italiens. Überreste von Brandopferplätzen und Altären wurden über die gesamte Länge des Flusses an seinen Ufern gefunden. Wie die überlieferten Weiheinschriften zeigen, riefen die Römer dort neben Rhenus, dem Flussgott des Rheins, auch Neptunus, Oceanus, Jupiter und andere lokale Gottheiten an. Ein in Straßburg gefundener Weihealtar aus der Mitte des 2. Jahrhunderts trägt die Aufschrift

RHENO PATRI
OPPIVS
SEVERUS
LEG AVG

Hierin wird der Rhein, ebenso wie der Tiber und andere große Ströme, als 'Pater', also Vater, verehrt. Die wenigen bildlichen Überlieferungen zeigen den Rheingott mit wallenden Haaren, breit dahingelagert, mit geöffnetem Mund und der obligatorischen Urne, aus der das Wasser des Flusses strömt. Eine Münze aus der Zeit des römischen Kaisers Postumus (260 bis 269) sowie ein Reliefbild aus Köln zeigen den Rheingott mit zwei Hörnern. Man glaubt hierin einen Hinweis auf die ursprüngliche Stiergestalt der Flussgötter ablesen zu können.

Der römische Dichter Martial (um 40 bis ca. 104) schreibt vom Rhein als "Vater der Nymphen und Ströme". Auch wenn diese Bezeichnung eventuell auch nur als Topos gemeint war, der auch auf andere großen Ströme Gültigkeit haben könnte, erkennt man an der Benennung auch die Verehrung, die der Römer dem Rhein entgegen brachte.

Die Funde eindeutiger Opfergaben an den Rhein gehen, trotz schwierigster Fundvorrausetzungen, in die Zigtausende. Diese Funde wurden in der Regel bei lokal begrenzten Baggerarbeiten entdeckt, was auf eine weitaus größere Zahl, bisher unentdeckter Flussopfer auf dem Grund des Stroms und in seinen früheren Altarmen schließen lässt. Allein bei Baggerarbeiten in den Jahren 1880/82 im Bereich der einstigen römischen Rheinbrücke bei Mainz wurden mehrere tausend Gegenstände aus römischer Zeit gehoben, die Einheimische und Reisende den Göttern beim Queren des Strom geopfert hatten, wie es damals üblich war.

Bei der Entdeckung der Flussfunde spielt die Größe der Objekte naturgemäß eine wesentliche Rolle. Groß dimensionierte Stücke, wie Messer, Schwerter oder Lanzenspitzen fallen im schlammigen Baggergut mehr auf als zierliche Fibeln, Münzen oder Ringe, welche in den meisten Fällen unentdeckt blieben. Auch Opfergaben aus vergänglichem Material sind für immer verloren. Mit zunehmender Maschinenleistung und Automatisierung der Bagger gehen die Zufallsfunde heute deutlich zurück. klaus kramer


Verwendete Literatur:
H. Krahe, Unsere ältesten Flussnamen, Wiesbaden 1964.
W. Torbrügge, Vor- und frühgeschichtliche Flussfunde. In: Ber. d. Römisch-Germanischen Kommission 1970-1971, Frankfurt 1972.
G. Wegner, Die vorgeschichtlichen Flussfunde aus dem Main und aus den Rhein bei Mainz, Kallmünz 1976.

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Der Tomasee in 2344 m ü. NN., nahe des Oberalppasses, gilt als der Quellsee des Rheins. Foto um 1910.
Der Ursprung des Rheins

"Heilige Wasser rinnen von Himmelsbergen", singt die Edda, das uralte Götterlied. Auch der Rhein, des deutschen Vaterlandes heiliger Strom, rinnt vom Gottesberge (St. Gotthard), aus Eispalästen, aus dem Schoße der Alpen nieder, als Strom des Segens. Schon die Alten sagten von ihm: Die Donau ist aller Wasser Frau, doch kann wohl der Rhein mit Ehren ihr Mann sein – und die Urbewohner der Stromufer erachteten seine Flut für also wunderbar, dass sie neugeborene Kinder ihr zur Prüfung echter oder unechter Geburt übergaben. Rechtmäßige Abkömmlinge trug die Stromflut sanft zum Ufer, unrechtmäßige aber zog sie mit ungestümen Wellen und reißenden Wirbeln als ein zorniger Rächer und Richter der Unreinigkeit unter sich und ersäufte sie. Andere Anwohner brachten dem heiligen Strome ihr Liebstes, Pferde, zum Opfer dar. Durch Hohenrätiens Alpentalschluchten stürzt sich der Rhein mit jugendlichem Ungestüm, frei und ungebunden, umwohnt von einem freien Bergvolke, das in Vorzeittagen hart lastende, schwer drückende Fesseln brach. Da zwang ein Kastellan auf der Bärenburg die Bauern, mit den Schweinen aus einem Trog zu essen, ein anderer zu Fardün trieb ihnen weidende Herden in die Saat, andere übten noch andere Frevel. Da traten Hohenrätiens Männer zusammen, Alte mit grauen Bärten, und hielten Rat im Nachtgrauen unter den grauen Alpen. Auf einer felsenumwallten Wiese unfern Tovanosa will man noch Nägel in den Felsenritzen erblicken, an welche die Grauen, die Dorfältesten, ihre Brotsäcke hingen. Und dann tagten sie in Bruns vor der St. Annenkapelle unter dem freien Himmel, unter der großen Linde, nach der Väter Sitte, und beschwuren den Bund, der dem alten Lande den neuen Namen gab, den Namen Graubünden, und dass der Bund solle bestehen, solange Grund und Grat steht. Davon gehen im Bündnerlande noch alte Lieder. - Kaiser Maximilian nannte scherzweise den Rheinstrom die lange Pfaffengasse, wegen der zahlreichen und hochberühmten Bistümer und Hochstifte an seinen Ufern und nannte Chur das oberste Stift, Konstanz das größte, Basel das lustigste, Straßburg das edelste, Speyer das andächtigste, Worms das ärmste, Mainz das würdigste und Köln das reichste.

Ludwig Bechstein, Deutsches Sagenbuch, Meersburg 1930

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