Soziale Sicherung in der Schweiz:
KV/OKP Obligatorische Krankenpflegeversicherung


 

 Ziel

Beheben oder Mindern der gesundheitlichen Folgen von Krankheiten und subsidiär von Unfällen. Übernahme von mutterschafts-spezifischen Leistungen.

 

 Versicherte Personen

Pflichtversicherung für alle Personen, die sich länger als drei Monate in der Schweiz aufhalten – obligatorische Krankenpflege- und freiwillige Kranken-Taggeldversicherung.

Freiwillig können Zusatzversicherungen zur OKP abgeschlossen werden, die aber dem Privatversicherungsrecht unterstehen (Taggeldversicherung auch hier möglich).

 

 Organisation 

Gesetz
KV-Gesetz mit Verordnungen, Wegleitungen; abschliessend (für alle gleich)

Träger
Krankenversicherer mit entsprechender Bewilligung

Vollzug
Krankenkassen

 

 Beitragspflicht 

Während in den übrigen Sozialversicherungen von Beiträgen gesprochen wird, verwenden sowohl die Kranken- als auch die Unfallversicherung den gleichwertigen Begriff «Prämien».

Für die obligatorische Krankenpflegeversicherung werden so genannte «Kopfprämien» erhoben. Diese sind nicht lohnabhängig ausgestaltet. Für Kinder und – sofern der Versicherer dies anbietet – für junge Erwachsene gelten günstigere Prämiensätze
•  Kinder, ab Geburt bis 18. Altersjahr
•  Junge Erwachsene, 19. bis 24. Altersjahr
(unabhängig davon, ob noch in Ausbildung)
•  Erwachsene, ab 25. Altersjahr

 

 Beitragsbemessung 

Die Versicherer erheben auf Grund der durch den Bundesrat bewilligten Tarife die Krankenversicherungs-Prämien. Dabei kann der Versicherer die Prämien nach ausgewiesenen Kostenunterschieden kantonal und regional (Bundesrat definiert die Regionen, maximal drei pro Kanton) abstufen.

Durch die Wahl einer besondern Versicherungsform (Wahlfranchise, HMO/Gatekeeper, Bonusversicherung) können Prämien gespart werden.

Die Versicherten haben sich an den für sie erbrachten Leistungen zu beteiligen. Diese Kostenbeteiligung besteht aus einer Franchise in Form eines fixen Jahresbetrags und einem prozentualen Selbstbehalt.

 

 Anspruchsvoraussetzungen 

Das KVG definiert gleichzeitig den Mindest- und Maximal-Leistungskatalog! Dies bedeutet, dass den Versicherern keine statutarischen Ausbaumöglichkeiten des Leistungspaketes mehr verbleiben.

Es sind demzufolge alle Kosten zu übernehmen, für
•  ärztlich verordnete Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen (KVG 25 - 33),

wenn sie
 
•  von anerkannten Leistungserbringern (KVG 35)
•  unter dem Aspekt der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit erbracht
•  und nach Tarifen und Preisen verrechnet (KVG 43) wurden.

 

 

 Leistungen

Der KVG-Leistungskatalog ist in drei Massnahmenbereiche gegliedert: Die Abklärung und Beratung, die Untersuchung und Behandlung und drittens die Pflege zu Hause oder im Pflegeheim. Nicht gedeckt sind nach wie vor die krankheitsbedingten Mehrkosten, die für die vorübergehende oder dauernde Beschäftigung einer Haushalthilfe anfallen.


Sachleistungen

Uneingeschränkte Leistungsdauer für
•  Allgemeine Leistungen bei Krankheit (Kostenübernahme für Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen).
•  Spitalaufenthalt (Akut- und Übergangspflege) entsprechend dem Standard der allgemeinen Abteilung, Basis Listenspital Wohnkanton; bzw.
Beitrag an die Pflegeleistungen, die aufgrund einer ärztlichen Anordnung und eines ausgewiesenen Pflegebedarfs ambulant, auch in Tages- oder Nachtstrukturen, oder im Pflegeheim erbracht werden.
•  Unfälle lösen gleiche Leistungen wie für Krankheiten aus (sofern nicht ein anderer Sozialversicherer dafür aufkommt)
•  Mutterschaft; mutterschaftsspezifische Leistungen
•  Strafloser Schwangerschaftsabbruch
•  Geburtsgebrechen (sofern nicht durch Invalidenversicherung gedeckt)
•  Medizinische Prävention
•  Zahnärztliche Behandlung (nur durch Vorliegen einer der abschliessend aufgezählten Erkrankung des Kausystems und schweren Allgemeinerkrankungen sowie eines Geburtsgebrechens, sowie generell für unfallbedingte Schäden).
 
Wenn durch zuständige Fachperson verordnet
•  Medikamente gemäss Spezialitätenliste, Generikaliste (Nachahmerpräparate), Arzneimittelliste für durch den Apotheker herzustellende Rezepturen.
•  Ärztliche Psychotherapien
•  Chiropraktische Leistungen und Physiotherapien gemäss Vertrag
•  Ergotherapien gemäss Vertrag
•  Krankenpflege zu Hause (Ambulant, z.B. Spitex) oder im Pflegeheim
•  Ernährungs-/Diabetesberatung gemäss Vertrag
•  Logopädie gemäss Vertrag
•  Analysen gemäss Analysenliste (Laborpositionen)
•  Mittel und Gegenstände, die der Untersuchung und Behandlung dienen gemäss Anhang 2 KLV, Mittel und Gegenstände Liste (MiGel).
•  Medizinische Rehabilitation/Beitrag an Badekuren
•  Beitrag an medizinisch bedingte Krankentransport- (Hälfte max. CHF 500.–/Jahr, vom Ausland das Doppelte) und Rettungskosten (Hälfte max. CHF 5000.–/Jahr vom Ausland das Doppelte)


Geldleistungen

Für die Kompensation des Lohnausfalls kann eine Taggeldversicherung - in Form einer Kollektivversicherung durch den Arbeitgeber oder als Einzelversicherung durch die Arbeitskraft - abgeschlossen werden.
Dies sowohl im Rahmen der sozialen Krankenversicherung (KVG) als auch des Privatversicherungsrechts (VVG).

Abdecken der Lohnfortzahlungspflicht
Das Arbeitsvertragsrecht (OR 324/1-3 und 324b) verpflichtet den Arbeitgeber einer Arbeitskraft, die ohne ihr Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert ist, eine gewisse Zeit lang zur Lohnfortzahlung.

Durch den Abschluss einer Kollektiv-KTG-Versicherung für sein Personal kann der Arbeitgeber dieser die Lohnzahlung im Krankheitsfall übertragen, wenn sie seiner Lohnfortzahlungspflicht gleichwertig ist. Dies wurde durch die Gerichte bejaht, wenn
•  die für die fragliche Zeit geschuldete Versicherungsleistung mindestens 80% des ausgefallenen Lohnes deckt;
•  und er mindestens die Hälfte der anfallenden Prämien zulasten des Betriebes übernimmt.
 
Beginn der Taggeldzahlung
Massgebend ist, was im Versicherungsvertrag steht.
•  Sofort, nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit
• 

Aufgeschoben, erst nach Ablauf einer gewissen Frist erfolgen.
Durch den Aufschub des Leistungsbeginns (gebräuchliche Optionen sind ab 3., 10., 30. evtl. 90. Tag) kann die Prämie gesenkt werden.

Je länger der Aufschub desto günstiger die Prämie bzw. mit gleicher Prämie je höher die Leistung.

Übertrittsrecht aus Kollektiv- in Einzelversicherung
Bei Austritt aus dem Kollektiv – in der Regel Austritt aus der Firma –, kann die Versicherung im bisherigen Umfang als Privatperson weitergeführt werden (In der Taggeldversicherung nach VVB kann das Übertrittsrecht allerdings in den allgemeinen Vertragsbestimmungen eingeschränkt werden).
•  Der Versicherer darf keine neuen Gesundheitsvorbehalte anbringen und kein höheres Eintrittsalter anwenden.

Der Versicherer hat Austretende Arbeitnehmer/innen diesbezüglich zu informieren, eine Aufgabe, die er meist dem Arbeitgeber überlässt.

Die Frist für den Übertritt in die Einzelversicherung
VVG (ca. 95% der Kollektiv-Taggeldversicherungen sind so abgeschlossen) in der Regel 30 bis 90 Tage
KVG innerhalb von drei Monaten
 

Freiwillige Taggeldversicherung nach KVG
•  Abschluss der Versicherung
ab 15. und vor 65. Altersjahr, wenn Wohnsitz oder Erwerbsort Schweiz bei anderem Versicherer, dem betreffend obligat. Krankenpflege versicherbar
bei anderem Versicherer als für OKP möglich
•  Ausschluss der Unfalldeckung zulässig
(versichert sind Krankheit und Mutterschaft)

Im Gegensatz zur OKP sind im Rahmen des KVG ein Kollektivvertrag mit aushandelbaren Konditionen, und eine Beschränkung des zu versichernden Personenkreises zulässig.

 

 Verfahren

Rechtsmittel betr. sozialer Krankenversicherung
(obligatorische Krankenpflegeversicherung, freiw. Taggeldversicherung)

Sind erhebliche Leistungen strittig, oder kann der Versicherer das Nichteinverständnis der versicherten Person erkennen, muss er eine einsprachefähige Verfügung erlassen. Eine solche kann natürlich von der versicherten Person auch direkt verlangt werden.
 
1. Einsprache
  Gegen Verfügungen kann innerhalb von 30 Tagen an der verfügenden Stelle Einsprache erhoben werden.
Die Einsprache-Entscheide sind in angemessener Frist zu erlassen. Sie werden begründet und mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen. Der Versicherer darf den Erlass eines Einsprachentscheides nicht von der Erschöpfung eines internen Instanzenzuges abhängig machen.
 
2. Beschwerde
  Gegen Einsprache-Entscheide (und Verfügungen, gegen die eine Einsprache ausgeschlossen ist) kann innerhalb von 30 Tagen am kantonalen Sozialversicherungsgericht des Wohnsitzkantons Beschwerde erhoben werden.
  Zur Beschwerde berechtigt ist, wer durch die angefochtene Verfügung oder den Einsprache-Entscheid berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat.
 
3. Beschwerde ans Bundesgericht
  Gegen Entscheide des kantonalen Sozialversicherungsgerichts kann innerhalb von 30 Tagen Beschwerde am Bundesgericht, zweite sozialrechtliche Abteilung in Luzern erhoben werden. Dieses entscheidet abschliessend.


Rechtsmittel betr. der Zusatzversicherungen

Ist die versicherte Person mit der ihr aus der Zusatzversicherung zugedachten Leistung nicht einverstanden, kommt das zivilrechtliche Verfahren, nach den Prozessregeln des Privatrechts zur Anwendung! Dies bedeutet das Fehlen der Rechtsmittel Einsprache und Beschwerde, da ja in der Privatversicherung nicht verfügt werden kann.

Ansprüche sind im Streitfall mit dem Rechtsmittel der Zivilklage vor dem kantonalen Zivilgericht geltend zu machen (Weiterzug ans Bundesgericht). Für zivilrechtliche Ansprüche würde an sich gelten, dass:
•   das Verfahren nicht kostenlos ist: Bei Unterliegen Auferlegung von Verfahrens- und Anwaltskosten der Gegenpartei;
•   nicht das Gericht, sondern die Parteien, für die Abklärung des Sachverhalts zuständig sind (Beweispflicht bei den Parteien!).
•   die Verhandlungsmaxime (im Gegensatz zur Offizialmaxime des Beschwerdeverfahrens) greift; d.h. vergessene oder nicht beweisbare prozessrelevante Fakten vom Zivilgericht nicht berücksichtigt werden.

Um diese Nachteile zu mildern, wurde das Versicherungsaufsichtsgesetz VAG in Artikel 47 ergänzt:
Die Kantone haben für Streitigkeiten aus Zusatzversicherungen ein einfaches und rasches Verfahren vorzusehen. Die Richter erheben den Sachverhalt vom Amtes wegen (wie im Verfahren vor Versicherungsgericht). Es dürfen keine Verfahrenskosten erhoben werden.
Mit dem Weiterzug des Streitfalls ans Bundesgericht entfallen aber besagte Privilegien!

 

 Links/Literatur 

Merkblätter der Info-Stelle (download von www.ahv-iv.info, Merkblätter, oder Bezug von AHV-Gemeindezweigstelle bzw. Ausgleichskasse)

Leitfaden Schweizerische Sozialversicherung (13. Auflage, August 2013),
Gertrud E. Bollier und Beat Conrad; vgl. Liste «Leitfaden bestellen»

«Assi 2014» Büchlein von Peter Meier, Martin Wechsel und Peter Thomann, Selbstverlag: Stiftung zum Schutz der Versicherten, Postfach 129, 6034 Inwil, www.assistiftung.ch

«Jahrbuch der Sozialversicherungen 2014» (auch in Französisch, Italienisch und Englisch erhältlich
hrm4you GmbH, Luzern, www.hrm4you.ch, vgl. Liste «Jahrbuch der Sozialversicherungen bestellen».

«Schweizer Sozialversicherung» vierteljährlich erscheinende Fachzeitschrift mit elektronischem Update-Service Sozialversicherung aktuell, alle zwei Wochen
VPS Verlag Schweizer Personalvorsorge und Sozialversicherung, Luzern, www.vps.ch
vgl. Liste «Updates Sozialvers.».

•  www.santesuisse.ch 
Dachverband Krankenversicherer
•  www.ombudsman.kv.ch

www.krankenversicherung.ch

www.kvg.org
APF/FZA, Leistungsaushilfe Krankenversicherer im Ausland
www.bag.admin.ch
Gesetze usw.

 

   




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