Die Talentplattform

Betrachten viele Museen Ausstellungen zum regionalen Kunstschaffen eher als Pflichtübung, soll dieses Gefäss im Kunstzeughaus als Talentplattform verstanden werden.

Suzanne Kappeler
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Susanne Keller: Kunstturner, 2014. (Bild: Simon Tanner / NZZ)

Susanne Keller: Kunstturner, 2014. (Bild: Simon Tanner / NZZ)

Mit 275 Einsendungen wurde die Jury der «Grossen Regionalen» regelrecht überschwemmt. Sie wählte schliesslich 33 Positionen aus. Betrachten viele Museen Ausstellungen zum regionalen Kunstschaffen eher als Pflichtübung, soll dieses Gefäss im Kunstzeughaus sorgfältig gepflegt und als Talentplattform verstanden werden. Das mit seiner Sammlung als Museum für Schweizer Gegenwartskunst konzipierte, 2008 eröffnete Haus in Rapperswil-Jona gestaltete die Ausstellung als offenen Parcours durch zurückhaltend Poetisches, Schrilles, Abseitiges und bodenständig Handfestes. Direktor Peter Stohler und seinem Co-Kurator Lorenz Hubacher ist es gelungen, in lockerer Hängung überraschende Bezüge zwischen den einzelnen Kunstwerken herzustellen, diese dank viel Raum indes auch für sich selbst sprechen zu lassen.

Nach der Auswahl der Dossiers und einem provisorischen Konzept für den Ausstellungsparcours erlebten die Kuratoren bei der Anlieferung der Kunstwerke einige Überraschungen, allerdings meist im positiven Sinn, wie Peter Stohler betont. Wichtig war ihnen das beharrliche Verfolgen eines künstlerischen Wegs, der zu manchen Entdeckungen führte. Von der 87-jährigen Fernande Schlegel aus Rapperswil bis zur 27-jährigen Karin Kurzmeyer aus Zürich sind Kunstschaffende aus der Region vertreten, wobei vorab neue Arbeiten zu sehen sind.

Bereits im Foyer wird der Besucher von einem mächtigen Holzobjekt aus der Serie «Satellite» von Bruno Streich (geb. 1964) empfangen. Oszillierend zwischen Form und Funktion, überraschen die Arbeiten Streichs mit ihren witzig verspielten Details trotz monumentalem Erscheinungsbild. Einem fahrbaren indischen Tempel gleich erscheint der schrille, aus farbigen Papieren gestaltete «Kunstturm» von Susanne Keller (geb. 1980), während die Installation aus filigranen Papierschnitten von Sandra Kühne (geb. 1976) durch ihre Ruhe und Präsenz beeindruckt. «Mapping the Studio» heisst die vielschichtige Arbeit, bei der es der Künstlerin gelingt, das Interieur ihres Ateliers als in Papierstreifen aufgelösten Raum erleben zu lassen. Von ähnlich poetischer Qualität sind die Glasstäbe von Esther Mathis (geb. 1985), die sich im Wind eines Ventilators wiegen und immer wieder neue Formenvariationen bilden, ohne sich zu verheddern.

Als ironisch verspielte Interventionen begleiten uns die Objekte aus der Serie «Amuse-Gueule» der 1987 geborenen Karin Kurzmeyer durch das Haus. Sie kombiniert Alltagsgegenstände und Fundobjekte mit rohen Klumpen aus Lehm und stellt diese auf Stühle, Wägelchen oder Tablare. Der surreale Effekt ist beabsichtigt.

Die kraftvollen, figurativen Ölmalereien von Rachel Lumsdens (geb. 1968) zeigen Menschen in Interieurs, umgeben von geheimnisvollen Figürchen, Tieren und Objekten. In grossflächigen, kaum deckenden Pinselzügen gemalt, scheinen sie die Realität zu hinterfragen. Als markanter Kontrast dazu präsentieren sich die von Andri Stalder (geb. 1971) geschaffenen, monumentalen Fotografien des schottischen Nachthimmels, in denen sich kaum mehr wahrnehmbare Motive in tiefer Schwärze verlieren. Auch Felix Studinka (geb. 1965) spielt in seiner fünfteiligen Serie von Tuschmalereien mit der Leere. Die Ränder der «Spool» genannten monumentalen Blätter sind in einer reichen Palette von Grautönen bemalt, während das Innere der «Spulen» leer bleibt, um die Wahrnehmung zu schärfen. Im hinteren Teil des Obergeschosses inszeniert die Sammlungs-Kuratorin Petra Giezndanner eine schöne Auswahl von Künstlerbüchern – seit langem ein Steckenpferd des Sammlerpaars Peter und Elisabeth Bosshard. Es sind in traditioneller Art seitenweise bemalte Bücher zu sehen, etwa von Klaus Born (geb. 1945), oder ein Leporello mit Farbstiftzeichnungen und dazu passenden Texten von Peter Herzog (geb. 1950). Von anderen Künstlern, wie Flavio Paolucci (geb. 1934) oder Bessie Nager (1962–2009), werden Buchskulpturen gezeigt.

Ein Objekt ist auch die «Leere Ode» von Niklaus Rüegg (geb. 1962), in welchem er aus einem Comic alle Sprechblasen und Protagonisten herausgeschnitten hat. Der Schriftsteller Gerold Späth (geb. 1939) lädt seit Anfang der achtziger Jahre Künstler ein, von Hand geschriebene Texte zu illustrieren, während Thomas Müllenbach (geb. 1949) ein Tapetenmusterbuch zum Künstlerbuch umgearbeitet hat. Adrian Schiess' aquarellierte Büchlein erscheinen dagegen leicht und luftig.

Rapperswil-Jona, Kunstzeughaus (Schönbodenstrasse 1), bis 8. 2. 2015. Uhr. www.kunstzeughaus.ch