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Studie Die beliebtesten Managementmethoden

Auf welche Konzepte und Instrumente setzen Führungskräfte in der Krise? Wann rechnen sie mit einem Aufschwung? Eine internationale Studie zeigt, wie Manager derzeit arbeiten und was sie für die kommenden Jahre erwarten.
Von Lothar Kuhn

Dieter Zetsche hat ein Problem: Weil die Kunden dramatisch weniger Autos und Lkw kaufen, schreibt der Konzern im ersten Quartal dieses Jahres rote Zahlen. Der Vorstandsvorsitzende der Stuttgarter Daimler AG muss nun kräftig Kosten senken. Dafür will er die Ausgaben für Verwaltung und Personal verringern; zusätzlich stoppt er die Investitionen in einige neue Fahrzeugprojekte oder streckt sie zeitlich. Doch das ist riskant, denn von neuen innovativen Produkten hängt der langfristige Erfolg von Daimler ab. Zetsche gefährdet so möglicherweise das von ihm selbst vor Kurzem auf der Hauptversammlung des Konzerns verkündete Ziel: "Wir wollen trotz schwacher Märkte ein starkes Unternehmen bleiben."

Zahlreiche Topmanager müssen derzeit ähnlich wie Zetsche Krisenabwehr betreiben. Dabei dürfen sie aber nicht ihre Wettbewerbsposition aufs Spiel setzen - besser noch sollten sie sich einen Vorsprung gegenüber ihren Konkurrenten verschaffen. Auf welche Managementmethoden Führungskräfte bei diesem Spagat zwischen kurzfristigem Agieren und langfristigem Handeln aktuell setzen, hat Darrell Rigby, Partner im Bostoner Büro der Unternehmensberatung Bain & Company, zusammen mit seiner Koautorin Barbara Bilodeau untersucht. Er befragt seit 1993 regelmäßig Manager auf der ganzen Welt. In diesem Jahr haben ihm 1430 Führungskräfte aus Nord- und Südamerika, Europa, Afrika und Asien geantwortet. Sie geben an, welche Werkzeuge sie derzeit bevorzugen und wie sie die aktuelle Lage einschätzen. Die Studienteilnehmer arbeiten etwa zur Hälfte in Unternehmen mit mehr als zwei Milliarden US-Dollar Umsatz und stammen aus unterschiedlichsten Branchen, mit einem Schwerpunkt in den Bereichen Finanzdienstleistungen, Informations- und Kommunikationstechnik sowie produzierendem Gewerbe (etwa Autohersteller oder Maschinen- und Anlagenbauer).

Skepsis gegenüber dem Marktumfeld

Die Antworten der Führungskräfte lassen einige Verunsicherung und deutlichen Pessimismus für die kommenden Monate erkennen. 70 Prozent der im Rahmen der Studie Befragten sind sehr besorgt, ob sie ihre Wachstumsziele 2009 erreichen werden - wobei die Europäer unter den Teilnehmern der Studie hier immer noch etwas optimistischer sind. 64 Prozent der Manager planen mit einem Abschwung, der mindestens bis Anfang 2010 dauern wird; 36 Prozent haben in diesem Jahr vor, Mitarbeiter in größerem Umfang zu entlassen. Das betrifft vor allem die großen Unternehmen: Hier beabsichtigen immerhin 41 Prozent einen erheblichen Stellenabbau. Kleinere Unternehmen erweisen sich als etwas krisenfester, nur 31 Prozent der befragten Führungskräfte aus diesen Firmen wollen ähnlich umfangreich den Personalumfang reduzieren.

Auch langfristig rechnen die Manager mit erheblichen Veränderungen. Für viele ist klar: Die Welt wird nach der Krise eine andere sein als zuvor. 71 Prozent der Befragten erwarten, dass die Regierungen in den kommenden fünf Jahren stärker regulierend in die Wirtschaft eingreifen werden. Ebenfalls 71 Prozent gehen davon aus, dass der derzeitige Abschwung das Verhalten der Konsumenten in ihren Märkten während der nächsten drei Jahre verändern wird. Das alles wird den Wettbewerb kräftig durchschütteln: Nur ein Viertel der Führungskräfte glaubt, dass die heutigen Marktführer auch noch in fünf Jahren ihre Vorreiterschaft verteidigen können. Doch scheint dies immer nur die anderen, nie das eigene Unternehmen zu betreffen. Denn 75 Prozent der Interviewten rechnen damit, die Wettbewerbsposition ihrer Firmen in der Rezession sogar verbessern zu können. Diese Hoffnung wird sich wahrscheinlich nicht erfüllen - während der Krise werden kaum drei Viertel aller Unternehmen gleichzeitig ihre Marktanteile erhöhen können.

Mangelndes Vertrauen

Weniger Vertrauen in Managementmethoden

Die Verunsicherung der Führungskräfte spiegelt sich auch im Gebrauch der Managementmethoden wider. Rigby wählt für seine Befragung jeweils die 25 aktuell beliebtesten Werkzeuge aus. In diesem Jahr reichte die Spanne von Themen wie Kundensegmentierung über Outsourcing, Kernkompetenzen, Wissensmanagement bis hin zu Online-Communities.

Brennende Fragen: Wohin geht die Reise? Welche Werkzeuge brauchen Manager dafür?

Brennende Fragen: Wohin geht die Reise? Welche Werkzeuge brauchen Manager dafür?

Foto: Martin Haake

Die erste wichtige Erkenntnis: Die befragten Führungskräfte zeigen eine gewisse Ernüchterung im Umgang mit den oft hochgelobten Managementmethoden. "Die meisten Instrumente stellen einfach den gesunden Menschenverstand dar - jedenfalls für diejenigen Unternehmen, deren Kultur fördert, einander zuzuhören und anschließend entsprechend zu handeln", meint etwa Jim Bausch, Teilnehmer der Studie und Vice President bei der Autovermietung Vanguard Car, zu der die Marken National und Alamo gehören.

Die Skepsis zeigt sich beispielsweise in der Zahl der durchschnittlich in den Unternehmen genutzten Instrumente. Sie erreichte 2008 mit 10,6 den zweitniedrigsten Wert, den Bain-Berater Rigby seit 1993 jemals ermittelt hat. Dies mag daran liegen, dass es in konjunkturell unsicheren Zeiten für einen Manager schwieriger ist zu entscheiden, auf welche Methoden er setzen soll. Zudem fehlen im Moment Zeit und Mittel, um aufwendige Instrumente neu einzuführen. Schließlich misstrauen die befragten Führungskräfte derzeit möglicherweise manchen Managementwerkzeugen, weil sie ihnen unterstellen, zum Ausbruch der Krise beigetragen zu haben.

Bemerkenswert ist auch, dass Benchmarking die strategische Planung und damit die langjährige Nummer eins der meistgenutzten Werkzeuge vom Spitzenplatz verdrängt hat. Der mutmaßliche Grund: Wenn etwa Bernhard Düttmann, Finanzchef des Kosmetikherstellers Beiersdorf, vor Kurzem auf der Bilanzpressekonferenz angesichts der Wirtschaftskrise klagte, "wir laufen auf eine Nebelwand zu und haben keinerlei Sicht", dann ergibt eine detaillierte strategische Planung wenig Sinn. Aufschlussreicher ist es in dieser Situation, die Konkurrenz zu beobachten und aus deren Verhalten Rückschlüsse zu ziehen. Dies mag den Aufstieg des Benchmarkings erklären, bei dem es ja darum geht, Prozesse und erzielte Leistungen innerhalb der eigenen Organisation und mit fremden Firmen zu vergleichen - und gegebenenfalls zu verbessern. Immerhin ist diese Methode gegenüber der Studie von 2006 in der Beliebtheit um drei Plätze nach oben geklettert.

Beliebte Methoden

Aber dieser Trend ist nicht ganz ungefährlich. Harvard-Professor Michael Porter, einer der führenden Managementvordenker der USA, hat bereits vor mehr als zehn Jahren gewarnt: "In einer Art Herdentrieb ahmen sich die Unternehmen ... gegenseitig nach, jedes in der Annahme, die Rivalen könnten etwas, dass die eigene Firma nicht kann." Die Firmen würden so austauschbar, und die Führungskräfte versäumten es, eine klare Marktpositionierung für ihre Organisation zu definieren. "Nur sie", versichert Porter, "garantiert auf Dauer Erfolg."

Die schwierige Lage macht sich auch durch das gestiegene Interesse an einer Reihe weiterer Methoden bemerkbar. So ist 2008 das Outsourcing von Platz 7 auf Platz 5 der meistgenutzten Instrumente aufgestiegen. In der Regel versuchen Führungskräfte, durch das Auslagern von Aufgaben Kosten zu senken und flexibler zu werden. Erstmals unter den Top Ten der meistgenutzten Werkzeuge findet sich die Balanced Scorecard. Sie hilft, strategische Pläne in mess- und überprüfbare Ziele zu übersetzen - dieses sehr strukturierte Vorgehen verspricht in der Krise eine gewisse Sicherheit.

Weiterhin sehr beliebt ist das Reengineering von Prozessen, das dazu dient, Abläufe effizienter und effektiver zu machen. Ein weiterer bemerkenswerter Aufsteiger in die Top Ten der meistgenutzten Methoden ist das Thema Fusionen und Übernahmen. Möglicherweise hofft die eine oder andere Führungskraft auf eine günstige Gelegenheit, einen Wettbewerber zu übernehmen - so wie die Lufthansa beim geplanten Kauf der Austrian Airlines oder der Softwareriese Oracle bei der Übernahme von Sun Microsystems. Umgekehrt scheinen Methoden wie das Kundenbeziehungsmanagement und die Kundensegmentierung an Bedeutung zu verlieren, wenn Konsumenten wie jetzt deutlich weniger Geld ausgeben werden.

Fazit

Welche Methoden wichtiger werden

Für das laufende Jahr haben sich die Manager offensichtlich vorgenommen, nicht nur weiter die Kosten zu senken, sondern auch die Erlöse zu erhöhen oder zumindest zu stabilisieren. So haben die Studienteilnehmer bei den Methoden, die sie 2009 verstärkt einsetzen wollen, am häufigsten Preisoptimierungsmodelle genannt. Dabei handelt es sich um mathematische Modelle, die voraussagen, wie ein bestimmtes Preisniveau die Nachfrage beeinflussen wird. Ziel ist es, durch eine bessere Preisgestaltung die Umsätze zu erhöhen.

Sicherlich ist es auch kein Zufall, dass die befragten Manager in diesem Jahr deutlich stärker als im vergangenen auf Szenariotechniken und Kontinuitätsmanagement setzen wollen. Dabei geht es darum, verschiedene denkbare Szenarien für die Zukunft zu entwickeln und daraus Handlungsalternativen abzuleiten. Damit versuchen Manager sich auf möglichst viele Eventualitäten mit Krisenplänen vorzubereiten. Ebenfalls wachsender Beliebtheit erfreuen sich Instrumente zur Entwicklung von Wachstumsstrategien.

Zu den fünf Methoden mit den höchsten Zuwächsen bei der geplanten Nutzung für 2009 zählen schließlich auch noch zwei Innovationstechniken: Beim Thema kollaborative Innovationen geht es darum, stärker als bisher Externe wie Zulieferer, Hochschulen und selbst Wettbewerber in die eigene Produktentwicklung einzubinden; bei der Methode Voice of the Customer Innovation (deutsch etwa: kundenorientierte Innovationen) sollen Produktentwicklung und Servicequalität systematisch an Kundenbedürfnissen ausgerichtet werden.

Das gestiegene Interesse an diesen Innovationsthemen ist ein Indiz dafür, dass die Manager trotz aller Krisenbekämpfung die langfristige Entwicklung ihrer Unternehmen nicht völlig aus den Augen verlieren.

Fazit

Die schwierige konjunkturelle Lage veranlasst Manager, stärker als früher auf Managementmethoden wie Benchmarking, Balanced Scorecard oder Outsourcing zu setzen. Diese Werkzeuge versprechen, das eigene Unternehmen effizienter zu machen und Kosten zu senken, was in der Krise wichtiger denn je ist.

Die in diesem Jahr wachsende Nachfrage nach Instrumenten zur Entwicklung von Wachstumsstrategien oder nach Innovationstechniken zeigt aber auch, dass sich die befragten Führungskräfte auf bessere Zeiten vorbereiten wollen. "Denn", so drückte es Daimler-Chef Zetsche auf der letzten Hauptversammlung aus, "so unentbehrlich radikale Kostensenkungen in Krisenzeiten sind, so wenig weisen sie allein den Weg in eine gute Zukunft."

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