Linke Mythen: Die Schweiz hat die höchste Selbstmordrate

19. July 2013, ... alles andere, linke Mythen, aktion-hip, No Comments »

Wer mit linken Gesprächspartnern über die hohe Lebensqualität in der Schweiz diskutieren möchte, wird bisweilen mit dem “Argument” konfrontiert, die Schweiz habe eine der höchsten Selbstmordraten.

Zu diesem Argument zuerst die Zahlen:
Zu den Selbstmordraten führt die World Health Organisation (WHO) eine ländervergleichende Statistik [1]. Diese Statistik führt die Schweiz bei den Männern an 21. Stelle, bei den Frauen an 6. Stelle an (Jahr 2007). In einer analogen Statistik auf Wikipedia [2] rangiert die Schweiz an 45. Stelle (zusammen mit Schweden). Gemäss Statistik des Bundesamts für Statistik [3] (BfS) sinkt die Selbstmordrate seit einem Höhepunkt Anfangs der 80er Jahre kontinuierlich (von 24 Suiziden pro 100’000 Personen auf 13).

Nun kann man einwenden, ein Total von 875 Suiziden pro Jahr (hochgerechnet auf die Bevölkerung in der Schweiz) ist immer noch dramatisch. Vielleicht weniger im Ländervergleich, aber im Vergleich zu anderen Todesursachen, z.B. den Verkehrsunfällen. Gemäss BfS starben 2012 301 Personen auf Schweizer Strassen [4].
Doch ein solcher Vergleich taugt nicht viel. Die Schweiz ist in ein liberales Land. Das hat direkte Auswirkungen auf die Lebensumstände bis hin zum Tod. So ist zum Beispiel die Sterbehilfe in der Schweiz sehr freiheitlich ausgestaltet. Entsprechend sind die Zahlen bei der Sterbehilfe nicht zu vernachlässigen, wenn es um die Berechnung der Selbstmordrate geht. Im Jahr 2009 vermeldete das BfS 300 Fälle von begleiteter Sterbehilfe [5]. Diese Fälle müssen demnach als Folge eines freiheitlichen Gesellschaftsmodells eingeordnet werden und taugen nicht als Beispiel für eine übermächtige seelische Not, an welcher die Betroffenen leiden. Werden diese Zahlen berücksichtigt, sinkt die Rate von Suiziden, welche zu Bedenken Anlass geben können, um mehr als einen Drittel. Schön, dass das Schweizer Staatsfernsehen diesen Sachverhalt berücksichtigt und folgerichtig die Schweizer Selbstmordrate im europäischen Mittelfeld einordnet (Beitrag vom 11.6.2013 [6]).

Nun lässt sich fragen, warum es Personen gibt, welche viel Wert auf eine überdurchschnittlich hohe Selbstmordrate legen. Der Blog-Artikel “Suizid in der Schweiz – Erschreckende Zahlen” [7] ist ein schönes Beispiel für eine solche Sichtweise. Er bringt den kulturpessimistischen Tenor einer solchen Betrachtung gut zum Ausdruck. Eine hohe Selbstmordrate in der Schweiz gibt den “Gesellschaftskritikern” die Gelegenheit, das Schweizerischen Erfolgsmodell, bestehend aus einer freiheitlichen Gesellschaft mit nachweisebarem Wohlstand und weit herum geschätzten Lebensqualitäten, zu diskreditieren. Jeder Selbstmord stellt in dieser Sichtweise ein Versagen des Gesellschaftsmodells dar. Genau das macht das Operieren mit hohen Selbstmordraten attraktiv.

Ende 2012 hat sich ein Aktivist aus der 80er Bewegung umgebracht. Die NZZ am Sonntag hat dieser Person einen einfühlsamen Nachruf gewidmet. Schade nur, dass diese Anteilname den Betroffenen nicht erreicht hat, als er noch lebte. Ich bin sicher, die Person hätte genau dies benötigt, um von ihrem Selbstmordplänen abzukommen.

Diese Episode zeigt die Tücke einer Argumentation, welche auf Selbstmordraten aufbaut, unabhängig davon, ob es nun Hundert oder Tausend sind. Wer so argumentiert, missbraucht auf heimtückische Weise das seelische Leiden von Personen, um sein politisches Programm zu propagieren. Was als Anteilnahme daherkommt, verkommt zu einer Lüge. Wer in seiner seelischen Not nur noch Schwarz sieht, braucht keine moralischen Belehrungen, sondern echte Wärme und uneigennützige Anteilnahme.

Links:

[1] http://www.who.int/mental_health/prevention/suicide_rates/en/

[2] http://en.wikipedia.org/wiki/List_of_countries_by_suicide_rate

[3] http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/21/02/ind32.indicator.70301.3201.html

[4] http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/11/01/new/nip_detail.html?gnpID=2013-430

[5] http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/news/publikationen.Document.154174.pdf

[6] http://www.srf.ch/news/schweiz/sterbehilfe-trieb-suizidzahlen-kuenstlich-in-die-hoehe

[7] http://suite101.de/article/suizid-in-der-schweiz—erschreckende-zahlen-a68421

 


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