Sax und Scheide

Irgendwann kommt jeder Alemannendarsteller zum Schluss, dass er einen Sax benötigt, also jenes Instrument, das nebst Speer und Schild fast zur Grundausstattung des freien Alemannen gehörte. Der Sax, der aufgrund seiner zum Teil sehr prunkvollen Scheiden eher als Statussymbol und Waffe anzusprechen ist, denn als Werkzeug, fand bestimmt vielfältige Verwendung.

Welcher Sax soll nun beschafft werden? Das Internet bietet zwar einige Objekte an, wobei zwei Faktoren diese zum vorneherein wieder ausschliessen. Einmal liegt es oft an der Qualität der Stähle und wenn nicht daran, dann an der Ausformung der Klingen. Letztere orientieren sich – inklusive den dazugehörigen Scheiden – mehrheitlich an den nordischen Formen.



Funde aus Birka (oben) und Lettland (unten), mit zum Rücken hochgezogenem Ort. Der Ort kann im Gegensatz zu diesem Beispiel, auch zur Schneide hin gesenkt sein.

(Quelle: Pera Peris, Haus der Historie)

Frühmittelalterliche Saxklingen aus dem alemannischen Raum

Die nachstehende Abbildung vermag einen Überblick über die chronologische Einordnung und Entwicklung der alemannischen Saxe verschaffen. Sie werden nach ihren Merkmalen als Schmal-, Breit- und Langsax angesprochen, wobei in dieser Aufzählung die Untergruppen (z.B. kurzer Schmalsax) nicht berücksichtigt sind. Rot eingerahmt sind jene Typen, die in die Zeitdarstellung der Adalar-Sippe passen, also zwischen 550 und 630 unserer Zeit. Auffällig ist, dass der Ort (mit einzelnen minimalen Abweichungen) bei allen Mittig ist, wodurch sich der Alemannische Sax vom Nordischen, wikingerzeitlichen Sax klar unterscheidet.



Bild: „Die Alamannen im Zollernalbkreis“, Georg Schmitt,  Materialheft zur Archäologie in Baden Württemberg, Heft 80, Seite 34, Konrad Theiss Verlag Stuttgart.

Schmiedearbeit

Bei Meister Roland Fornaro besuchte ich einen Damastschmiedekurs um mir selbst einen Sax zu schmieden.

Für die Klinge habe ich mir eine Vorlage ausgesucht, die mit 4 cm Breite und einer Länge von 34 cm sehr elegant wirkt. Um es vorweg zu nehmen: Meine Klinge ist 5 mm länger und 1 mm breiter geworden als das Original von der Früebergstrasse in Baar ZG. Auch die verwendeten Stähle entsprechen nicht den historischen Vorgaben, war der Inhalt des Lehrganges doch ein anderer, nämlich die Technik des Damaszierens kennen und anwenden zu lernen.

Hier, die einzelnen Schritte in stark verkürzter und vereinfachter Form:



Am Anfang war schon immer das Feuer,



mit dessen Hilfe ich verschiedene Stahllagen



zu einem Paket verschweisste und es immer wieder faltete. Härten, Schleifen, Ätzen sind weitere Stationen eines Prozesses, der eine ganze Woche in Anspruch nahm.
Dann war es so weit!



Das Ergebnis ist formschön, perfekt verschweisst und für ein Erstlingswerk mehr als zufriedenstellend! Das spricht auch für die Qualität des Kurses.



Der Rücken besteht aus zwei gegenläufig tordierten Damaststrängen, die auf 12 mm ausgeschmiedet wurden. Die Klinge selbst weist 540 Lagen auf!



Das Griffstück wurde aus einer Geweihstange gefertigt. Entgegen den bisherigen Funden habe ich zum Klingenansatz hin eine Nase stehen lassen, dies einzig zu meiner eigenen Sicherheit. Der Sax ist derart scharf, dass ich verhindern möchte, aus Versehen vom Heft gegen die Klinge zu rutschen. Abschlussplatten – wie hier aus Kupfer – findet man selten, kommen jedoch vor. (Vergleiche 3. Sax von links im roten Feld.)

Die Scheide

Es versteht sich von selbst, dass für ein derart schönes Messer, eine gleichwertige Hülle geschaffen werden musste. Auch hier hielt ich mich an ein Original, das ich jedoch, dem alemannischen Stil treu bleibend, frei interpretierte, zumal von Anfang an kein Erfordernis bestand, eine detailgetreue Rekonstruktion zu schaffen.



Als Vorlage diente mir die Saxscheide aus der Kirche von Tuggen SZ, die – was eher als seltener Glücksfall gilt - relativ gut erhalten ist und dadurch selbst Rückschlüsse auf die Prägeverzierung  im Leder zulässt. (Originalgrösse ca. 8 x 45 cm)



Schraffiert dargestellt sind die erhaltenen Teile der Saxscheide von Tuggen (Ausschnitt)

Bilder: „Die Schweiz zur Merowingerzeit“ Rudolf Moosbrugger-Leu, Band B, A. Francke AG, Verlag Bern

Die Nieten

Zunächst machte ich mich jedoch an die Herstellung der grossen Nieten, wobei ich mich schon vor längerem in jene aus einem Grab an der Früebergstrasse verliebte. Die Originale sind aus Bronze gefertigt und zeigen eine Triskele oder einen Tierwirbel, der in Vogelköpfen endet. Standesgemäss sollten meine Scheidennieten jedoch aus reinem Silber bestehen.



Zunächst fertigte ich zwei Rohlinge, die ich im Sandgussverfahren nachzugiessen beabsichtigte. Nachdem Form und Formsand bereit waren, ging es ernsthaft zur Sache. Ben Rey stellte seine Esse und das übrige Material zur Verfügung und unterstützte mich bei den Gussversuchen – war es doch wie die Schmiedearbeit, meine erste Erfahrung die ich auf diesem Gebiet machen sollte.



Als Ausgangsmaterial verwendete ich alte Silberringe die wir im Tiegel bei knapp 962° zum Schmelzen brachten.



Der Guss an sich ist spannend, doch weit mehr noch das Resultat. Ist der Guss gelungen?



Vier der fünf Saxscheidennieten nach dem Guss, bzw. ein Stück nach der Politur. Übrigens weisen die Mehrheit der gefundenen Saxscheiden, oder vielmehr deren metallene Überreste daraufhin, dass fünf grosse Scheidennieten durchwegs üblich waren. Es gibt auch Exemplare mit 7 grossen Nieten. Sie bestanden aus Eisen, Bronze und in einigen Fällen aus versilberter Bronze oder Silber, selbst solche mit Perldrahteinfassungen, aber auch aufwändige, mit Almandin belegte Exemplare (z.B. Basel Kleinhüningen) sind bekannt. Die Durchmesser der grossen Niete variieren und liegen – soweit mir bekannt ist - zwischen 10 mm und 34 mm.



Als Scheide verwendete ich ein 3 mm starkes Rindsleder. In feuchtem Zustand wurde es mit einer zugeschliffenen Geweihsprosse geprägt. Nach dem Trocknen bleibt dann das eingeprägte Muster erhalten.



Der nächste Schritt galt nun den kleinen Nieten, die bei den Originalen durchwegs aus Bronze gefertigt sind. Im Handel sind solche Nieten leider nicht erhältlich und ich hätte 134 Stück davon benötigt. So wich ich notgedrungen auf solche aus Messing aus, die ich allesamt glühte, um sie weich zu machen. Sie wurden ins vorgelochte Leder geschlagen, auf der Rückseite umgebogen und die Spitzen wieder zurück ins Leder gehämmert. Zum Schutz der Nietköpfe verwendete ich eine Buchenleiste als Gegenstück.



Erst zum Schluss wurden die grossen Niete eingesetzt und mit der Halterung für die Aufhängeriemen vernietet.
Empfehlung: Ich persönlich würde bei einer weiteren Scheide die Nietstifte kürzen. Dadurch ergäbe sich ein ansehnlicheres Bild auf der Rückseite. Die Originalnieten wiesen sehr dünne und auch weitaus kürzere Nietstifte auf.



Mit diesem Bild wird nun eindeutig die Verwandtschaft zur Saxscheide aus Tuggen ersichtlich und trotzdem bleibt sie ein Unikat – genauso wie der Sax selbst.
Grösse der Scheide: 9 x 45 cm (fast wie das Original).


Bild links: „Die Schweiz zur Merowingerzeit“ Rudolf Moosbrugger-Leu, Band B, A. Francke AG, Verlag Bern

Saxscheiden weisen an der Scheidenöffnung (Scheidenmund) meist eine sogenannte Mundzwinge, manchmal auch ein Mundband auf, weshalb ich, basierend auf dem Fund in Kaiseraugst (links), eine eigene Zwinge mit Rücken und Gegenstück entworfen habe. Rechts die Mutterform für den Sandguss.

Was mich beschäftigt ist die Frage, mit welchen Mitteln und ohne Lupe der damalige Künstler das aufwändige Flechtbandmuster ins nur 67 mm lange Originalstück gravierte? Ich kam zu keiner Lösung, habe respektvoll kapituliert und stattdessen ein einfaches Zopfband gewählt.



Fertige mit zwei Nieten montierte Mundzwinge. Länge 63 mm. Die 4 mm Unterschied gegenüber dem Original entstanden durch den Schwund des im Massstab 1:1 gefertigten Rohlings beim Trocknungsvorgang und den des Silbers, beim Erkalten nach dem Guss. Will man ein exaktes Replikat herstellen, hat man dieser Tatsache Rechnung zu tragen. – Aber davon mehr in einem der nächsten Beiträge, wo es um die Herstellung von Zierscheiben geht.



Endlich ist der Sax fertig. Ein schmuckes Resultat und ein Aufwand, der sich gelohnt hat, finde ich.

"Sax und Scheide" Arbeit und Beitrag von Peter Mäder
Fotos (soweit nicht anders vermerkt) Peter Mäder

Quellen

„Die Alamannen im Zollernalbkreis“, Georg Schmitt,  Materialheft zur Archäologie in Baden Württemberg, Heft 80, Konrad Theiss Verlag Stuttgart

„Die Schweiz zur Merowingerzeit“ Rudolf Moosbrugger-Leu, Band B, A. Francke AG, Verlag Bern.

„Gräber, Graben, Generationen“, der frühmittelalterliche Friedhof von der Früebergstrasse in Baar, Katharina Müller et al, Band 1, Veröffentlichung der Archäologie Schweiz.

Empfehlenswert

Roland Fornaro und
Hansjörg Kilchenmann
Damaszenerkurse
Birkenweg 5
CH 4952 Eriswil
www.rfornaro.ch

Dank

Mein Dank gilt den Brüdern Ben und Michi Rey für ihre Unterstützung.