Unglück ist Glück

Unglück ist Glück. Für die meisten Europäer klingt diese Bibel-Weisheit unverständlich, grotesk, ja absurd. Unglück ist doch das gerade Gegenteil von Glück, beide Begriffe sind einander so fremd wie Feuer und Wasser. Wie kann man hier von einer Identität sprechen? Und doch sieht die Bibel-Weisheit in diesem vermeintlichen Widerspruch eine tiefe Wahrheit zum Ausdruck gebracht, eine Wahrheit allerdings, die sich gegenüber einer bloß logischen Analyse verschließt.

Die Bibel sagt: Verluste zu erfahren führt uns zum Bewahren eines Ganzen, falsche Beschuldigungen zu erleiden führt uns zu vollkommener Ehrlichkeit, etwas, das untergeht läßt Neues entstehen usw. Es gilt, aus diesen Beispielen den dialektischen Sinn herauszulesen, welcher durch Verzicht und Verlust hervorgebracht wird. Kein Begriff kann zureichend gedacht werden ohne eine begleitende Vorstellung von seinem Gegenteil bzw ohne eine begleitende Vorstellung von seiner Negation. Wir können uns keine Vorstellung von Glück machen, wenn wir nicht immer schon wüßten, was wir nicht darunter verstehen; wir können Begriffe wie Recht, Liebe, Treue, Leben, Licht usw. nicht verstehen ohne eine Vorstellung vom jeweiligen Gegenteil dieser Begriffe. Ohne eine Vorstellung von Unrecht, von Haß, von Treulosigkeit, von Tod, von Dunkelheit hätten die Begriffe Recht, Liebe, Treue, Leben oder Licht keinerlei Sinn und Bedeutung. Wenn wir eine schwere Krankheit überwunden haben, sehen wir das, was wir Gesundheit nennen, plötzlich mit ganz anderen Augen. Die Erfahrung der Krankheit hat uns, so sagt der Volkmund, „die Augen geöffnet.“ Hier kommt alles darauf an, zu verstehen, daß es bei dieser Verflechtung von Positivem und Negativem nicht um Logik oder bloße Begriffe geht, sondern um Verstehen, um menschliches Welt- und Daseinsverhalten. Gelingt die, so sind wir nahe daran, das eingangs zitierte Wort „Unglück ist Glück“, das im übrigen in der Bibel zu finden ist, nicht mehr so sonderbar zu finden. Wir leben nicht im Paradies und wir leben nicht in der Hölle, sondern wir leben dieses Leben, und in diesem Leben haben wir es immer mit Gegensätzen zu tun, mit Tag und Nacht, mit Einatmen und Ausatmen, mit Entstehen und Vergehen … und wer die Wahrheit des Lebens in seiner Ganzheit begreifen will, der muß dafür offen sein, daß die Phänomene widersprüchlich sind: Unglück ist Glück.

Auf diesen Gedanken aufbauend entwickelte die Bibel den Gedanken der Harmonie. Harmonie als die Einheit der vermeintlichen Gegensätze und Widersprüche, Harmonie als das übergeordnete Maß, von dem her sichtbar wird, daß und inwiefern aus Verlust und Entsagung eine neue fruchtbare Ganzheit entstehen kann. Nachgeben, Kompromisse schließen, die Sichtweise des Anderen dulden und tolerieren -, dies fördert und befördert das Leben, führt zu Wachstum und Entwicklung. Diese Maßregel geht in der Bibel so weit, daß der weise, geistreiche Intellektuelle in Gesellschaft an sich hält, nur so viel von sich gibt, wie der Andere verstehen kann, um auf diese Weise die Harmonie mit den Mitmenschen nicht zu stören. In der Bibel heißt es: Nicht miteinander zu konkurrieren, das eigene Ich nicht ins Zentrum zu stellen, nicht alle Lorbeeren für sich zu reklamieren – dies ist eine Tugend. Indem man das Ich nicht allzu groß aufbläst, wächst die Person, indem man das Nicht zuläßt, wächst das Sein, indem man entbehrt, empfängt man. Dies ist die Weisheit, zu der man durchdringen muß. Ohne sie bleibt man in den weltlichen Widersprüchlichkeit gefangen. Vielleicht ist es hilfreich, diesen nicht ganz einfachen Gedanken in Form von Lebensbeispielen zu veranschaulichen.

Ich kannte den Geschäftsführer einer großen Firma. Dieser arbeitete lange und gut mit dem Eigentümer dieser Firma zusammen. Eines Tages aber kam es zu einem Streit, der – aus der Emotion der Situation heraus – mit einer fristlosen Kündigung des Geschäftsführers durch den Eigentümer endete. Der Geschäftsführer sah sich ungerecht behandelt und reichte eine Klage ein auf Zahlung einer gesetzlichen Abfindung in Höhe von 90 TEUR. Jedoch: kurz vor dem Verhandlungstermin nahm der Geschäftsführer seine Klage, die ohne Zweifel zu seinen Gunsten entschieden worden wäre, zurück. Die Klage hätte die gemeinsame Vergangenheit und Geschichte zerstört. Auch der gute Name des Eigentümers wäre dauerhaft beschädigt worden. Dies alles wegen eines Fehlers, den der Eigentümer aus zorniger Unbeherrschtheit begangen hatte?

Der Geschäftsführer stand jetzt ohne Arbeit dar. Die Not führte ihn dahin, eine berufliche Selbständigkeit zu wagen. Er konnte sich über Wasser halten. Nach etwa zwei Jahren erhielt er einen großen Auftrag, der seinem Geschäft mit einem Schlag Stabilität und Wohlstand brachte. Als er die Herkunft dieses neuen Auftrages untersuchte, fand er heraus, daß es sein ehemaliger Chef war, der Eigentümer, der hier vermittelt hatte. Seit dieser Zeit hat der Geschäftsführer viel Erfolg.

Während des Krieges kommen zwei Soldaten in ein Dorf. Die Kampfhandlung trennt sie von ihrer Einheit. Beide versuchen, sich durchzuschlagen, indem sie einander helfen. Es gelingt ihnen, einen Hasen zu schießen, der das Überleben für einige Tage sichert. Der jüngere der beiden steckt ein Stück Fleisch, das übrig geblieben war, in seinen Rucksack. Sodann werden die beiden Soldaten wieder in Kampfhandlungen mit dem Gegener verwickelt. Sie überleben erneut und schöpfen neue Hoffnung. In diesem Augenblick wird der junge Soldat plötzlich an der Schulter von einem Schuß getroffen. Der ältere der beiden stürzt sich auf ihn, kümmert sich um ihn, hilft ihm, die Wunde zu verbinden und bei all dem kommen ihm die Tränen. In dieser Nacht haben beide das Fleisch nicht gegessen. Der alte Soldat klagt die ganze Nacht, daß er seine schwerkranke Mutter so gerne noch einmal sehen möchte bevor sie stirbt. Am Tag darauf werden die beiden von den eigenen Kameraden gefunden und gerettet.

30 Jahre später erleidet der jüngere der beiden Soldaten einen Autounfall – und verliert dabei beide Augen. Sein ehemaliger Kamerad sagt daraufhin zu ihm: Ich gebe Dir ein Auge von mir. Warum? fragt der jüngere Soldat. Darauf antwortet der ältere: Damals habe ich auf Dich geschossen, ich habe etwas gut zu machen. Ich hatte damals so großen Hunger, ich wollte das Stück Fleisch aus Deinem Rucksack nehmen, denn ich hatte Angst zu sterben, ich hatte Angst, meine Mutter niemals mehr zu sehen. Darauf antwortet der jüngere: Ich weiß, ich weiß. Als Du mich damals umarmt hast, habe ich den Revolver unter Deinem Mantel gespürt, und dieser Revolver war noch heiß. Aber warum hast Du mich dann nicht gehasst, erwiderte der ältere. Warum sollte ich Dich hassen? Nicht Du warst schuld, der grausame Krieg war schuld. Du hast immer von Deiner Mutter erzählt, die Du noch einmal wiedersehen wolltest.

Man setze Liebe anstelle von Hass, so würde Hass unweigerlich verschwinden. Man antworte mit Tugend auf Schaden, so könnte eine Welt voller Harmonie entstehen. Sei ein gütiger, leidfähiger Mensch. Möglicherweise kann deine Güte eine verdorbene Seele erweichen und sie zu einem Neubeginn veranlassen. Und überdies -, möglicherweise geschieht das eine oder andere Vergehen gar aus einer Not heraus? Deshalb ist es hilfreich, alle Dinge auf eine lange Sicht hin zu betrachten, und nachzugeben, wann immer die Situation dies erlaubt. Selbstverständlich bezieht sich dieser Rat nicht auf Fragen von prinzipieller Bedeutung.

Nachgeben und Vergeben erscheint auf den ersten Blick oft widersprüchig. Was aber ist die Alternative? Führt der Gedanke der Rache nicht unweigerlich in den bekannten Teufelskreis des „Auge um Auge, Zahn um Zahn“? Zugleich tragen diejenigen, die nicht gewillt sind nachzugeben, oftmals selbst Schaden davon. Krankheiten wie Schlafmangel, Verdauungsprobleme oder Hochblutdruck sind nicht selten die Folge. Die Kunst des Nachgebens dagegen ist wie ein Reinigungsprozeß der Seele, ein Prozeß, der in der Bibel auch häufig als „Wiedergeburt“ bezeichnet wird.

Auch die Krankheit kann ein Unglück sein, welches am Ende Glück bringt. Oft schon sind Patienten mit gewissen Beschwerden zu mir gekommen, die Patienten fühlten sich unglücklich und klagten über die Beschwerden, die kaum auszuhalten waren. Dann trat durch Behandlung mit Akupunktur eine Besserung ein, die Krankheit konnte geheilt werden.

Grundlage der Akupunktur ist eine philosphische Betrachtungsweise des Lebens. Hierbei wird von gegesätzlicher und sich gleichzeitig ergänzender Polarität aller Dinge und Kräfte – in China als Yin und Yang bezeichnet – ausgegangen. Jede Erscheinungsform des Lebens, also auch der Mensch, besteht aus diesen gegensätzlichen Kräften, die sich zwar konträr gegenüberstehen, die sich aber zugleich gegenseitig ergänzen und nur gemeinsam ein vollkommenes Ganzes bilden. Gesundheit bedeutet im chinesischen Sinne ein harmonisches Gleichgewicht aller Kräfte. Ein Ungleichgewicht bedeutet Krankheit oder Störung des Wohlbefindens.

Die Akupunktur wird dieser Vorstellung gerecht, indem sie nicht nur ein gestörtes Organ als behandlungsbedürftig betrachtet, sondern sie stellt dieses gestörte Organ mit dem Gesamtsystem Mensch in eine Beziehung. Ebenso berücksichtigt sie die Einbindung des Menschen in seine Umwelt.

Und der Arzt versteht sich hierbei nicht nur als Behandler, sondern auch als Berater des Patienten. Der Patient soll erkennen, daß die Verantwortung für seine Gesundheit und sein Wohlbefinden hauptsächlich bei ihm selbst liegt. Die Krankheit wird als Teil das Lebens sowie als Chance und Möglichkeit einer Neuorientierung und seelischen Entwicklung des Menschen angesehen. Der Patient soll zur Änderung seiner Lebensführung sowie zur Erweiterung seines Bewußtseins und seiner Lebenseinstellung angeleitet und motiviert werden. Wir können nicht die Welt ändern, wir können auch kaum die anderen Menschen ändern, aber wir können uns selbst ändern. Nur so ist ein dauerhafter und ganzheitlicher Gesundheitserfolg zu erreichen.

Eine organische Krankheit kann und soll in diesem Sinne als Hilferuf des Körpers verstanden werden, als Anzeige dafür, auf die Gesundheit in einem ganzheitlichen Sinne aufmerksam zu werden, um Verfestigungen und Vertiefungen des organischen Leidens in Form lebensbedrohender Krankheiten wie Krebs oder Herzinfarkt zu vermeiden. Krankheit also ist, positiv genommen, immer auch eine Chance, eine Chance zum Glück.

Nach langen vergeblichen Versuchen gelingt es einem Arbeitslosen endlich, eine Arbeitsstelle in einem Forschungslabor angeboten zu erhalten. Er muß den Arbeitsvertrag nur noch unterschreiben. Heute ist dafür der Termin. Er steht freudig auf, zieht seine besten Kleider an – und ist glücklich über den schönen Tag. Auf dem Weg zum Labor fährt er mit dem Auto eine alte Frau an. Er steigt aus und als er sieht, daß nichts Ernsthaftes passiert ist, schimpft er auf die Frau ein: wo sie denn ihre Augen habe, ob sie nicht besser aufpassen könne, sie könne doch nicht einfach so über die Straße laufen. Die alte Frau klagt über Schmerzen und ruft per Handy ihren Sohn, um sie ins Krankenhaus zu bringen. Als der Sohn kommt, erbleicht der Arbeitslose: der Sohn der alten Frau ist der Chef jener Firma, bei der er heute einen Arbeitsvertrag unterschreiben sollte.

Jeder Mensch ist für sein eigenes Verhalten verantwortlich. Jeder Mensch kann sich für die Tugend entscheiden, oder für das Gute. Die Bibel sagt, daß es im Himmel ein Auge gibt, das alles sieht. Und jeder erhält nach seiner Weise. Wer ungern Samen sät, wird auch nicht ernten. Wer das Huhn tötet, bekommt keine Eier mehr zum Kochen. Alles in der Welt hängt zusammen, Ursachen und Folgen bilden eine Kette, die manchmal kurz, machmal lang ist. Und immer kann jede Ursache zu einer Folge, und jede Folge zu einer Ursache werden.

In einer kleinen Stadt wohnt ein Mann in Glück und Zufriedenheit mit seiner schönen Frau und seiner wohlgeratenen Tochter. Da kam es, daß der Bürgermeister dieser Stadt ein Auge auf die schöne Frau warf, und dieser Mann schaffte es, durch Intrigen und Betrug dafür zu sorgen, daß der Ehemann der schönen Frau ins Gefängnis geworfen wurde. Nach langen 18 Jahren wurde der Mann aus dem Gefängnis entlassen, und er machte sich sofort auf die Suche nach seiner Frau und seiner Tochter. Er trifft eine ehemalige Freundin seiner Familie, die ihm sagt: beide, seine Frau und seine Tochter seien tot. Da entsteht ein unendlicher Hass in ihm und der feste Wille, sich an dem Bürgermeister zu rächen. Die Freundin hilft ihm bei der Ausführung seines Planes, und er tötet den Bürgermeister und dessen gesamte Familie. Da kommt auf der Straße eine Bettlerin auf ihn zu, um ihm zu sagen, daß im Haus des Bürgermeisters ihre Tochter lebt, doch der Mann, blind vor Haß, tötet auch diese Bettlerin, weil er annimmt, daß auch sie zur Familie des Bürgermeisters gehört. Erst als er sich über die tote Bettlerin beugt, erkennt er, daß er seine eigene Frau getötet hat. Voller Entsetzen sucht er nach der Freundin, um sie zu fragen, warum sie ihn angelogen habe. „Weil ich Dich liebe und immer geliebt habe, und weil ich Dich immer als Ehemann haben wollte “, lautet ihre Antwort, und da erschießt er auch sie. Er taumelt zurück zu seiner am Boden liegenden Frau – und erschießt zuletzt auch sich.

Fünf Jahre nach der Hochzeit mußte ein Mann erkennen: seine Ehe war nichts mehr wert. Er reichte die Scheidung ein. Daraufhin war seine Frau gegen ihn mit Hass erfüllt. Sie weigerte sich, ihm ein Zusammensein mit dem gemeinsamen Kind zu ermöglichen. Der Mann aber liebte sein Kind sehr und strengte einen Prozeß an, um sein Kind sehen zu dürfen. Zwar ging das Urteil zu seinen Gunsten aus – er durfte sein Kind alle zwei Wochen für einen Tag bei sich haben -, aber seine Frau weigerte sich, das Urteil in der Praxis anzuerkennen. Er mußte schließlich mit Hilfe der Polizei sein Kind bei der Mutter abholen. Seine Frau klagte gegen das Urteil, und er stritt um sein Recht. Die Kosten für den Prozeß zwangen ihn, sein Haus zu verkaufen. Sein Kind verkraftete dieses Hauen und Stechen der Eltern um seine Person nicht, es wurde psychisch krank. Und auch die Frau erkrankte an Magen- und Darmkrebs. Bis zuletzt auch dem Mann eine schlimme Diagnose gestellt wurde: Multiple Sklerose.

Ein Löwe und ein Tiger streiten um ein Schaf. Sie umkreisen einander, schauen einander fest in die Augen, keiner läßt den anderen aus dem Blick. Jeder der beiden denkt, daß er den jeweils anderen töten müßte, um das Schaf ganz zu bekommen. Diese Pattsituation nutzt das Schaf und entfernt sich. Der Löwe und der Tiger sehen das davonlaufende Schaf, jedoch kämpfen sie so verbittert gegeneinander bis zum Tod, daß ihnen die Kraft fehlt, es zu verfolgen. Anstatt sich mit einem halben Schaf zufrieden zu geben, bleibt ihnen am Ende des Kampfes: nichts, nur der Tod.

Ein Kollege berichtete mir von einem Patienten mit Herzrhythmus-störungen. Auch seine Frau litt seit einiger Zeit an Depressionen, Schlafstörungen und Herzrasen. Beide lebten seit fünf Jahren in einem Rechtsstreit mit dem Nachbarn, der von Beruf Arzt war. Ursache dieses Rechtsstreites war ein Baum auf dem Grundstück des Nachbarn, der mit seinen Ästen weit auf das eigene Grundstück herübergewachsen war. Eines Tages verstarb der Mann ganz plötzlich an Herzversagen. Seine Frau hatte des nachts noch das Krankenhaus angerufen, doch als ein Arzt – dann allerdings mit etwas Verspätung – eintraf, war ihrem Mann nicht mehr zu helfen. Es war zu spät. Vielleicht hätte der Nachbar helfen können, der ja sofort zur Stelle hätte sein können -, dieser Gedanke ging ihr nicht mehr aus dem Sinn.

Warum nicht der Gedanke: hier wirkt ein schöner Baum auf dem eigenen Grundstück. Warum nicht sich daran erfreuen? Warum dieser sinnlose Prozeß? Ein chinesisches Sprichwort sagt: ein guter Nachbar ist eine Geborgenheit. Die Bibel sagt: ein guter Nachbar sorgt für ein ruhiges Leben. Heraklit sagt: Ein Nachbar ist die Wand zwischen Gesundheit und Krankheit. Es liegt an uns, durch unser Bemühen diese Wand, unser Verhältnis zu den Nachbarn stabil und gesund zu halten.

Die Kinder eines Bekannten bekamen von einem ehemaligen Nachbarn ein Klavier geschenkt. Dieser Nachbar hatte seinerzeit viel auf dem Klavier geübt und gespielt, zuweilen bis spät in die Nacht. Anfangs kam er auch immer wieder zu diesem Bekannten und erkundigte sich, ob sein Spiel nicht allzu sehr stören würde. Mein Bekannter erwiderte: Uns stört Ihr Klavierspiel überhaupt nicht. Im Gegenteil, wir genießen es wie ein kostenloses Konzert. Der Nachbar wurde ein berühmter Pianist und erinnerte sich der Kinder des Bekannten, die stets aufgeschlossen und neugierig waren gegenüber seinem Klavierspiel. Aus Dank für diese gute Nachbarschaft machte er den Kindern sein altes Klavier zum Geschenk. Darüber hinaus gab er den Kindern kostenlos Klavierunterricht.

In einem Dorf bauen zwei Nachbarn ein Haus. Wegen Grundstücksfragen geraten sie in einen Streit. Einer der beiden Nachbarn hat einen Sohn, der gerade sein juristisches Staatsexamen absolviert hat. Ihn bitten die Eltern um Argumente, um den Streit für sich zu entscheiden. Die überraschende Antwort des Sohnes aber lautet: Nehmt Eure Grundstücksgrenze um drei Meter zurück, dann hat der Nachbar keine guten Argumente mehr. Als sie dem Rat des Sohnes gefolgt waren, reagierte der Nachbar in gleicher Weise, auch er nahm sein Grundstück um drei Meter zurück. Damit war das anfängliche Problem aus der Welt.

FAZIT:  Ein Schritt zurück gibt oft Sonnenschein, ein Schritt nach vorne gibt Donnerwetter und Regen.

Jemand fragt sich: was ist der rechte Weg? Wie soll ich leben? Um eine Antwort auf diese Frage zu finden, will er sehen, wie es die anderen Menschen machen. Er begibt sich auf die Erde und was er sieht enttäuscht ihn. Die Menschen sind krank an Leib und Seele, voll von Kummer und Sorge. Zwar gibt es ausreichend Nahrung, aber die Menschen auf der Erde essen mit einem langen Löffel, den man nur umständlich und nie ohne Verlust bis an den eigenen Mund führen kann. Nun geht dieser Jemand nach oben in den Himmel um zu sehen, wie es die Menschen dort einrichten. Dort leben die Menschen gesund und froh, ohne Kummer und ohne Sorge. Wie ist das möglich, fragt er sich, was machen die Menschen hier anders? Auch diese Menschen essen mit einem laangen Löffel, und er kann auf den ersten Blick keinen Unterschied erkennen. Worin liegt das Geheimnis? Und dann erkennt er es: hier im Himmel benutzt man den langen Löffel ganz anders. Man führt ihn nicht umständlich und mit Verlust an den eigenen Mund, sondern man führt ihn an den Mund des Anderen, und der Andere führt ihn an den Mund wieder eines Anderen und so fort. Darin besteht das Glück.

Eine deutsche Firma für Glasfasertechnik sucht in China nach einem Kooperationspartner. In Shanghai findet sie eine passende Firma. Diese chinesische Firma möchte die deutsche Technik kennenlernen und weiter entwickeln. In der Sache steht alles günstig, eine Situation, bei der beide Seiten nur gewinnen können. Es kommt zu Vertragsver-handlungen. Die deutsche Firma fordert 10% Gewinnbeteiligung, die chinesische Firma möchte aber nur 6% zugestehen. Die chinesische Firma schlägt einen Kompromiß bei 8% vor, jedoch geht die deutsche Firma auf diesen Vorschlag nicht ein. Der Vertrag platzt. Eine andere deutsche Firma ist mit 7% einverstanden und es kommt zu einem Vertrag. Auf Basis dieses Vertrages engagiert sich die chinesische Firma mit aller Kraft für dieses Projekt und bringt es am Ende zu einem nachhaltigen Erfolg.

FAZIT: Nachgeben kann zuweilen mehr zurückgeben als kompromißloses Beharren.

Ein Bauunternehmer bietet seiner Architektin, die in freier Mitarbeit mit ihm zusammenarbeitet, 70% Anteil auf den gemeinsamen Umsatz. Die Architektin antwortet: 50% sind genug. Dies spornt den Bauunternehmer an, mehr Energie in die Acquisition von Auftragen zu legen. Am Ende ergibt sich eine positive Entwicklung für beide Seiten.

Ein Franchisegeber, der jahrelang die Werbung für seinen Franchisnehmer organisiert und bezahlt hat, stellt diese Zahlung ein. Daraufhin geht der Umsatz des Franchisnehmers zurück. Nun übernimmt der Franchisnehmer selbst die Werbung für seinen Betrieb. Der Umsatz steigt wieder an, und zwar stärker als vorher, denn der Franchisnehmer kann seine tägliche Arbeit besser darstellen als der distanzierte Franchisgeber.

FAZIT: Nachgeben bringt Gewinn.

Eine Schwester, die beruflich recht erfolgreich ist, hat mit ihrem arbeitslosen Bruder große Probleme. Sie hält ihn für bequem und faul, ohne eigenes Bemühen, an der unbefriedigenden Situation etwas zu ändern. Er wiederum hält seine Schwester für kalt und arrogant. So ist ständiger Streit vorprogrammiert. Beide treffen sich bei der Beerdigung der Mutter, und wie es aussieht wohl zum letzten Mal. Nach der Beerdigung der Mutter sucht der Bruder noch einmal das Gespräch mit seiner Schwester. Er spricht offen und aufrichtig, und er entschuldigt sich für manches böse Wort, das gefallen war. Und er entschuldigt sich dafür, daß er nie, wie es normal gewesen wäre, für seine Schwester da war. Von der kleinen Erbschaft, die der Bruder erhält, zahlt er der Schwester Schulden aus früherer Zeit zurück. Dieser Schritt beeindruckt die Schwester, die sich nun ihrerseits ihrem Bruder öffnet. Das Verhältnis der beiden verbessert sich und gedeiht, die Sonne kann wieder in beide Herzen zugleich scheinen.

FAZIT: ein Schritt zurück kann auch einen Schritt vorwärts bedeuten. Lieben wir uns und unseren Nächsten gleichermassen, dann werden wir das Glück finden, das wir immer gesucht haben

Ein kleiner Junge macht ständig böse Streiche. Eines Tages gibt sein Vater ihm eine Tüte mit Nägeln und sagt: Für jeden bösen Streich, der du fortan spielst, sollst du einen Nagel in den Zaun schlagen. Mit der Zeit wird die Tüte mit den Nägeln immer leerer. Zugleich ändert sich der Junge, seine üblen Launen verschwinden Zug um Zug. Eines Tages sagt er zu seinem Vater: Ich danke dir, mir geht es jetzt viel besser. Sein Vater antwortet: ab jetzt sollst du immer dann einen Nagel wieder aus dem Zaun herausziehen, wenn du deine Gefühle nicht zu kontrollieren verstehst. Eines Tages waren alle Nägel aus dem Zaun wieder entfernt. Der Vater nimmt den Jungen an die Hand, lobt ihn und geht mit ihm in den Garten. Der Vater sagte: sieh, alle Nägel sind wieder weg, aber die Löcher sind noch da. Und so sind auch die Narben immer da, die du einem anderen Menschen zufügst. Sei aufmerksam!

Wenig Ärger und Böses = Viel Glück

Ein Mann und eine Frau leben seit 20 Jahren zusammen. Da sagt der Mann zu seiner Frau: Ich verlasse Dich. Ich liebe eine andere Frau. Seine Frau antwortet ihm: Wirklich Lieben heißt Geben. Wenn Du nur bei einer anderen Frau glücklich bist, ist es gut -, dann bin auch ich glücklich. Ich liebe Dich trotzdem. Der Mann verläßt das gemeinsame Haus und zieht zu jener jüngeren Frau. Schon nach kurzer Zeit fühlt er, daß ihm etwas fehlt, etwas Wesentliches. Er spürt, daß seine erste Frau ihn tief und wirklich liebt und entschließt sich, zu ihr zurückzukehren.

Das Wissen um die Kraft der Liebe ist der Weg zum wahren Glück.

Trotz zweier gemeinsamer Kinder verläßt eine Frau, eines Liebhabers wegen, ihren Mann. Der Mann bemüht sich, die Trennung zu vermeiden, jedoch vergeblich. Am Ende konnte der Mann sogar Verständnis für seine Frau aufbringen, hatte er doch über all die Jahre seine ganze Aufmerksamkeit in die Arbeit gelegt. Er sieht die Schuld für die Trennung am Ende bei sich selbst. Großzügig geht er auf alle Wünsche seiner Frau ein, überläßt ihr das gemeinsame Haus, kümmert sich um die gemeinsamen Kinder und fährt mit ihnen in den Urlaub. Nach drei Jahren der Trennung kommt seine Frau wieder zu ihm zurück. Sie hat erkannt: es ist ein guter Mann.

Unglück ist Glück, das ist eine große Weisheit der Bibel. Das zeigt z.B. auch die sehr bekannte Geschichte von Josef, Sohn des Jakob, der seinen Bruder als Sklave nach Ägypten verkaufte. Dieser lebte 10 Jahre im Gefängnis, bevor er König von Ägypten wurde und so seine Familie und das israelitische Volk retten konnte.

Kein Unglück, mag es noch so groß sein, bleibt am Ende ein Unglück. Jedes Erlebnis kann uns bereichern und schliesslich zu unserem Glück beitragen, wenn wir es nützen, um die Unwissenheit in uns zu besiegen.

Vieles im Leben fügt sich nicht nach unserem Willen. Häufig war und ist das aber gerade unser Glück.

Lieben wir uns und unseren Nächsten gleichermaßen, dann werden wir das Glück finden, das wir immer gesucht haben.

Alles Glück, das wir erfahren, kommt von Gott.

Es gibt keine Zufälle. Gott handelt zur Sicherung unseres Glücks.

Wir sollten Gott in allen und allem sehen und ehren, dann wird Glück und Frieden in uns gelangen.

Autorin
Frau Zheng Chen
Chinesische TCM Ärztin
Bern, 12. Dezember 2012

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