REALITY

REALITY

Luciano hat einen Fischstand mitten in Neapel, macht manchmal krumme Geschäfte und ist ansonsten ein geborener Spaßvogel, der gerne vor seinen Kunden und seiner vielköpfigen Verwandtschaft die Stimmungskanone gibt. Bald sind sich alle einig: „Du gehörst ins Fernsehen!“ Angestachelt von seinen Angehörigen nimmt Luciano am Casting für eine Reality-Show à la Big Brother teil. Aber sein Traum entwickelt sich schnell zu einer echten Besessenheit, die ihn und seine Familie zu verschlingen droht.

Der neue Film von „Gomorrha“-Regisseur Matteo Garrone ist eine grandios-wilde Achterbahnfahrt durch das italienische Showbusiness und die italienische Volksseele. Garrones fulminante Abrechnung mit Lug und Trug, schönem Schein und grotesken Medienspektakeln im Italien Berlusconis wurde ausgezeichnet mit dem Großen Preis der Filmfestspiele Cannes 2012.

Regie: Matteo Garrone
Drehbuch: Maurizio Braucci, Ugo Chiti, Matteo Garrone, Massimo Gaudioso
Kamera: Marco Onorato
Schnitt: Marco Spoletini
Ausstattung: Paolo Bonfini
Musik: Alexandre Desplat
Produktion: Domenico Procacci, Matteo Garrone für Archimede Film, Fandango
Darsteller: Aniello Arena (Luciano), Loredana Simioli (Maria), Nando Paone (Michele), Graziella Marina, Nello Iorio, Nunzia Schiano, Claudia Gerini, Raffaele Ferrante

Italien 2012
115 Minuten, OmU

Cinema!Italia! Cinema!Italia!

Reality hat eine lustige und eine bittere Seite, aber die Anklage gegen eine bestimmte Art von Fernsehen steht nicht im Mittelpunkt. Es geht eher um eine ehrliche Darstellung meiner Heimat, eine Art modernes Märchen. Im Vergleich zu Gomorra steckt in Reality sehr viel weniger Dokumentarfilm, wir bewegen uns hier vielmehr an der Grenze des magischen Realismus. Mich interessierte der eigene Blick unseres Protagonisten. Der Anfang ist recht linear und dreht sich um den Traum, mit dem Lucianos Umgebung ihn angesteckt hat. Doch dann beginnen sein Identitätsverlust und seine Reise an die Abgründe.
Matteo Garrone

Cinema!Italia! Cinema!Italia!

Reality gehört zu den wenigen Filmen von 2012, die sich außerhalb der üblichen Schemata bewegen. Zu den wenigen, die alles haben, was einen guten Film ausmacht: eine gute Geschichte, gute Regie, gute Schauspieler. Und vor allem ist er mitreißend. Der mit Gomorrha berühmt gewordene Regisseur erweist sich mit diesem Film als moderner Weiterführer des Werkes von Schriftsteller Eduardo De Filippo: Während das zerbrechliches Gleichgewicht von De Filippos Figuren durch einen Lotterie-Gewinn aus den Fugen geriet, ist es bei Luciano der Big Brother, der in sein Leben einbricht. Jede Zeit hat ihren Mythos. Eduardo De Filippos Helden waren Symbole eines Italien der Depression. Heute hingegen kommen sie aus einem mit Kameras gespickten Studio. Aber in beiden Fällen bleibt es das gleiche Szenario: Neapel, das in seiner Farbgebung an De Sica in seinen besten Zeiten erinnert.
Giorgio Carbone, Libero

Es gibt geniale Momente in Reality, in dem Matteo Garrone Big Brother (das TV-Format) und den Großen Bruder George Orwells vereint (der uns in 1984 gegen unseren Willen ausspioniert). Gleichzeitig ist Reality auch eine Hommage an das italienische Kino, nicht nur an Viscontis Bellissima, sondern auch an Fellini: Luftaufnahmen, Fettwänste in unmöglichen Aufzügen, Paillettenglitzern. Matteo Garrone ist den anderen italienischen Regisseuren von heute immer ein wenig voraus. Er versteht es, mit Bildern seine Geschichten zu erzählen. Er weiß, wie man Szenen aufbaut, wie man Dialoge schreibt, wie man Schauspieler auswählt und mit ihnen arbeitet. Und dann ist da noch das offene Finale des Films, das jeder Zuschauer für sich selbst zu Ende führen muss.
Mariarosa Mancuso, Il Foglio

Matteo Garrone (1968, Rom) arbeitete nach dem Schulabschluss eine Zeit lang als Aushilfe, bevor er sich der Malerei zuwendete. Sein Kinodebüt erfolgte 1997 mit Terra di mezzo. Weiterhin drehte er Kurzfilme sowie Dokumentationen. Seine Spielfilme sind: Ospiti (1998), Estate romana (2000), L’imbalsamatore (2002), Primo amore (2004), Gomorra (2008)