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Otelfingen, Jelmoli Lager- und Bürohaus

2. Projektierungsgeschichte des Jelmoli Lager- und Bürohauses

Zufällig in die gleiche Zeit fiel die Entscheidung des Warenhauses Jelmoli SA in Zürich, seine mittlerweile auf 16 Standorte verzettelten Aussenlager in Zürich und Umgebung auf einen Ort zu konzentrieren und von da aus seinen Versandhandel zu betreiben.

4. Grobplanung Lagerhaus, maisgelb: Aussenlager, türkis: Versandlager, orange: Zentrallager, Nebenbetriebsgebäude: grau
Das 1833 in Zürich gegründete florierende Traditionsunternehmen war seit den 50er Jahren des 20. Jh. auf steilem Expansionskurs und die unbefriedigende Lagersituation wurde mehr und mehr zu einer Hypothek. Um das neue Zentrallager bei Zürich möglichst rasch realisieren zu können, suchte die Jelmoli SA im ganzen Kanton nach einem Bauplatz. Die Suche fokussierte sich bald auf Buchs/ZH, wo die Verhandlungen aber scheiterten. Am 4. September 1963 wurde der Kontakt zum Nachbardorf Otelfingen geknüpft, wo nach der eben abgeschlossenen Richtplanung von Seiler und Barbe die Ausscheidung einer Industriezone abstimmungsreif und die Gesprächsbereitschaft der Behörden entsprechend gross war.

Hier fand die Jelmoli SA die wichtigsten seiner Standortkriterien erfüllt. Da die Industriezone noch völlig unüberbaut war, bestand für die Jelmoli SA die Möglichkeit, auf fast einem Viertel der Zonenfläche den angestrebten grossflächigen Bau mit nur zwei rationell bewirtschaftbaren Lagerebenen zu erstellen. Dazu kam die optimale Erschliessung durch die direkt am Grundstück vorbeiführende Bahn und eine in nächster Nähe projektierte Autobahn, sowie - im Hinblick auf gute Voraussetzungen für das Personal - die Ausweitung der Wohnzone.

Bereits am 12. September erfolgten erste Verhandlungen, aus denen ersichtlich wurde, in welchen Dimensionen die Jelmoli SA dachte: Für das neue Betriebs- und Lagergebäude und eine Sportanlage für das Personal sollten ca. 6-10ha zur Verfügung stehen. In der Anfangsphase sollten hier ca. 200 Mitarbeiter beschäftigt und 10-15 Eisenbahnwagen Umschlag pro Tag erzielt werden. Für Otelfingen sollten ca. Fr. 2 -300000.- an Steuern anfallen. Für die kleine Gemeinde war dies ein Geschäft einer bisher unerreichten Grössenordnung und sie war gewillt, kräftig zu investieren, damit es zum Abschluss kam. So versprach sie, die Erschliessungskosten der ihr zum Verkauf zur Verfügung stehenden 751a selbst zu tragen und zusätzlich gemeindeeigenes Land für ein direkt ins Lagerhaus führendes Industriegeleise kostenlos abzutreten.

5. Lagerhauskomplex, Modell von Roland Rohn
Bereits am 28. September 1963 - wohl zur Dokumentation des Bauvorhabens zum Kaufabschluss und für die Gemeindeversammlung - lag die eingangs erwähnte perspektivische Skizze von Roland Rohn vor. Der in Wirtschaftskreisen für seine Industriebauten renommierte Architekt war schon seit 1947/48 und wieder 1958/61 für die Jelmoli SA im Rahmen der beiden Bauerweiterungen des Warenhauses Jelmoli an der Uraniastrasse in Zürich tätig gewesen und wurde nun auch mit der Planung und Ausführung des Neubaus in Otelfingen betraut.

In Rekordgeschwindigkeit wurde der Kaufvertrag aufgestellt, am 2.Oktober beurkundet und bereits am 15. November 1963 von der Gemeindeversammlung mit überwältigendem Mehr abgesegnet. Gleichzeitig wurde auch der Schaffung der Industriezone zugestimmt, die damit der Abstimmung über die allgemeine Ortsplanung vorgezogen wurde.

Am 24. April 1964 lag dem Gemeinderat ein Modell Rohns für das geplante Gebäude vor, das sich als «ca. 300m langes, zweigeschossiges Betriebs- und Lagergebäude mit einem vierzehnstöckigen Bürotrakt darstellt und sehr gefällig wirkt».

6. West- und Ostansicht, Plan 27.5.1964
Bereits am 24. Juni 1964 reichte Rohn das ausgereifte Bauprojekt dem Gemeinderat zur Genehmigung ein. Gegnerschaft erwuchs dem Projekt vor allem von Seiten der Baukommission, die es insbesondere wegen der Höhe des Büroturms «als Verunstaltung des Landschaftsbildes» wertete und eine Höhenbegrenzung auf 40m vorschlug. Der Gemeinderat trat aber nicht darauf ein, sondern bewilligte am 18. September 1964 das Projekt gestützt auf die Ausnahmebestimmungen für «Ortschaften mit städtischen Verhältnissen»; diese bedingten allerdings die Genehmigung durch den Regierungsrat. Nachdem eine ungeduldige Bauherrschaft, der viel an einer schnellen Bauausführung gelegen war, am 24. November 1964 um die Baufreigabe der unbestrittenen Teile des Projektes nachgesucht hatte, fand die Grundsteinlegung am 30. Dezember 1964 statt. Am 1. Juli 1965 genehmigte der Regierungsrat auch den 57.6m hohen Büroturm.

Heute mag man über die Einstufung von Otelfingen als «Ortschaft mit städtischen Verhältnissen» lächeln; sie wird aber verständlich durch die Wachstumszahlen, die damals dem kleinen Dorf im Zusammenhang mit der «Neuen Stadt» und der Ortsplanung vorgelegt wurden.

7. Nordansicht Plan, 11.10.1965
Die sorgfältige Stellungnahme des Regierungsrates zur Bewilligung des Bürohochhauses erinnert teilweise an einen Architekturdiskurs. So stellte er die Frage, ob die von der Bauherrschaft angeführten architektonischen Gründe für die Turmhöhe überhaupt wesentlich seien, «da in solchen Gebieten erfahrungsgemäss aus industriellen Bedürfnissen heraus Hochbauten an nicht bestimmbaren Orten und von ebenfalls unbestimmbaren Ausmassen entstehen». Weil aber das Jelmoli-Grundstück einen Viertel der Industriezone belegen und einheitlich überbaut würde, sah aber auch er hier Gestaltungsmöglichkeiten, die nicht nur reiner Zweckmässigkeit gehorchten. Er kam zum Schluss, dass nicht anzunehmen sei, «dass die fragliche Industriezone mit einem derartigen Hochhaus das Landschaftsbild stärker belasten wird, als dies eine Industriezone mit reinen Zweckbauten tun würde. Dagegen wird die differenzierte Bauweise mit Hochhaus innerhalb des engeren Orts- bzw. Quartierbildes eine architektonisch-städtebaulich bessere Lösung als eine herkömmliche Bauart ermöglichen. Damit kann aber das Erfordernis der guten Eingliederung eines Hochhauses ins Landschaftsbild, insoweit bei Bauten in einer Industriezone überhaupt davon gesprochen werden kann, als erfüllt bezeichnet werden».

In weiten Teilen entsprechen diese Äusserungen den Argumenten der Architekten der «Neuen Stadt». Für Hochhäuser empfahlen sie just eine maximale Höhe von 70m und verstanden Landschaftsschutz nicht «als verschämtes Verstecken der Baumassen im Gelände» sondern forderten das Hochhaus als «Krönung der markantesten Geländepunkte». Im übrigen erklärten sie die Industriezone zu «grossen Versuchsfeldern, in denen bauliche und betriebliche Veränderungen und Anpassungen [...]möglich sein sollten».

Neben den planerischen Aspekten gründete die mehrheitlich positive Aufnahme und das rasche Durchwinken des Jelmoli-Projekts wohl vorwiegend auf den handfesten Vorteilen, die sich die Behörden von der Niederlassung der Jelmoli SA in Otelfingen im Hinblick auf Steuern, Aufträge und Arbeitsplätze versprachen. Das Volk konnte sich zum Projekt nicht äussern, doch dürften einige dem Projekt wegen der relativen grossen Distanz der Industriezone zum Dorfkern einfach auch gleichgültig gegenüber gestanden haben.

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