Flirt mit Russland

Der griechische Regierungschef Tsipras sucht die Nähe Russlands und punktet damit bei der Wählerschaft. Für eine Abwendung des Staatsbankrotts braucht er allerdings Westeuropa.

Marco Kauffmann Bossart, Istanbul
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Am Mittwoch stehen für Alexis Tsipras (Bild) in Moskau Termine mit Russlands Staatschef Wladimir Putin, dem Regierungschef Dmitri Medwedew sowie dem Patriarchen der russisch-orthodoxen Kirche, Kirill, auf dem Programm. (Bild: Panayiotis Tzamaros / AP)

Am Mittwoch stehen für Alexis Tsipras (Bild) in Moskau Termine mit Russlands Staatschef Wladimir Putin, dem Regierungschef Dmitri Medwedew sowie dem Patriarchen der russisch-orthodoxen Kirche, Kirill, auf dem Programm. (Bild: Panayiotis Tzamaros / AP)

Vor seiner Moskaureise hat Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras die Gastgeber mit einer unmissverständlichen Absage an die EU-Sanktionen gegen Russland erfreut. Diese führten in eine Sackgasse, liess Tsipras die Nachrichtenagentur Itar-Tass wissen. Im selben Interview berichtete der Regierungschef, wie er im März an seinem ersten EU-Gipfel die Amtskollegen mit der Frage konfrontierte, ob Russland zur europäischen Sicherheitsarchitektur gehöre. Die Frage sei zu bejahen, doch hätten ihm viele nicht geantwortet, beklagte sich Tsipras gegenüber Itar-Tass. Am Mittwoch stehen in Moskau Termine mit Russlands Staatschef Wladimir Putin, dem Regierungschef Dmitri Medwedew sowie dem Patriarchen der russisch-orthodoxen Kirche, Kirill, auf dem Programm.

Antiwestliche Ressentiments

Tsipras' freimütige Kritik an der EU und damit an jener Institution, die massgeblich an der Rettungsaktion für die klamme Regierung beteiligt ist, dürfte in westeuropäischen Hauptstädten Irritationen hervorrufen. Beim heimischen Publikum kommt er damit gut an. Die von der Finanzkrise verunsicherte Wählerschaft hat dem Bündnis der radikalen Linken (Syriza) im Januar 2015 ein Mandat erteilt, weil dieses gelobte, mit dem Status quo zu brechen, das Land vom «Diktat» der westlichen Kreditgeber zu befreien und sich trotz Einbindung in Allianzen nicht den Mund verbieten zu lassen.

Vorgespurt wurde die prorussische Politik im Europäischen Parlament, wo die Syriza-Abgeordneten im September 2014 gegen die Ratifizierung des Assoziierungsabkommens mit der Ukraine stimmten. Auch stellte sich Syriza gegen eine Resolution, welche die Annexion der Krim verurteilte. Im selben Fahrwasser bewegt sich Tsipras' rechtsnationalistischer Koalitionspartner Anel, der den Krieg in der Ukraine als Ergebnis westlicher Propaganda abtat. Griechenlands Regierung bedient zum einen antiwestliche Ressentiments, die sich im Zuge der Finanzkrise akzentuierten. Zum anderen knüpft man an enge Bande an, die nicht unwesentlich auf der gemeinsamen orthodoxen Religion gründen. Tsipras scheint als Gegenleistung für die Freundschaftsgesten auf wirtschaftliche Zugeständnisse zu hoffen. Im besagten Interview mit Itar-Tass beklagte er die Einbussen, die der griechischen Agrarwirtschaft durch die russischen Gegensanktionen erwüchsen. Er ortete im bilateralen Handel zusätzliches Potenzial.

Mit solchen Aussagen schreckte Tsipras offenkundig die EU-Kommission auf. Sie warnte am Dienstag vor Sondervereinbarungen mit dem Kreml; solche würden die gemeinsame Aussenwirtschaftspolitik unterlaufen. Griechenlands Bauern spüren die Handelsbeschränkungen, etwa für Erdbeeren, Kiwis und Pfirsiche, sehr direkt. Russische Medien spekulierten derweil, den Griechen könnte als Zückerchen ein Vorzugspreis für Erdgas angeboten werden.

Wenngleich die linke Flanke von Syriza mit Sowjet-Romantikern besetzt ist, die Griechenland am liebsten ausserhalb der EU und der Nato sähen – Tsipras, ehemals Mitglied der sogenannten Euro-Kommunisten, spielt im Syriza-Mittelfeld. Und dort hat man längst erkannt, dass Russland der Wille und die Finanzkraft fehlen, um Griechenland vor dem Staatsbankrott zu retten. Das musste 2013 schon Zypern erleben, das ebenfalls besonders enge Beziehungen zu Russland geltend macht. Obwohl im Süden der geteilten Insel russische Investoren unter den Erschütterungen im Finanzsektor litten, griff Russland den Griechischzyprioten bloss symbolisch unter die Arme. Auch für Athen führt an weiteren Verhandlungen mit der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank und dem Währungsfonds wohl kaum ein Weg vorbei.

Den Bogen nicht überspannen

Trotz den Avancen gegenüber der osteuropäischen Grossmacht bemüht sich Athen, den Bogen nicht zu überspannen. Die europäischen Partner mögen ob Griechenlands Russland-Politik den Kopf schütteln, es mit ihnen verderben will Tsipras indes nicht. Ein Indiz dafür ist die Terminierung der Reise nach Moskau. Ursprünglich hatte Tsipras beabsichtigt, eine Einladung von Präsident Putin anzunehmen und am 9. Mai den Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag des Sieges über Hitlerdeutschland beizuwohnen. Doch wurde der Besuch um einen Monat vorverschoben.

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