Marianela Leon Ruiz

The Wounded Light

19.04. - 11.05.2024



























Die Ausstellung "The Wounded Light" von Marianela León Ruiz fand ihren Ursprung in einer Begegnung mit einem Kleinkind, welches sie auf einem Spaziergang durch Bethlehem angetroffen hatte. Das Kind litt an einem Herzfehler. Aufgrund seiner Krankheit war die Statur des Kindes schmächtiger als die seiner Gleichaltrigen, gleichzeitig hatte es greisenhafte Gesichtszüge. Damit verkörperte das Kind den Zyklus des menschlichen Lebens, von der reinen Leuchtkraft der frühen Kindheit bis zur liebenswürdigen Verschmitztheit des ehrwürdigen Alters.

Aufgrund dieser Begegnung fertigte Marianela zwischen 2014 und 2016 nach und nach fünf Portraitkohlezeichnungen an. Durch das Zeichnen aus der Erinnerung an das Kind offenbarte sich für die Künstlerin ein verborgenes Wissen, mit dem sie fortan in Dialog trat. Ihrer Ansicht nach wird das Licht, welches als grenzenloses Potential kreativer Entfaltung im Menschen angelegt ist, aufgrund feindlich gesinnter Lebensumstände im Kind zurückgehalten und bleibt verborgen. Diese sich unterbewusst vollziehende, überlebenssichernde Maßnahme wird im chinesischen Buch der Wandlungen (I Ching) dargestellt; im Bild des 36. Hexagramms liegt die Klarheit-Helligkeit unter der Erde. Es handelt sich um ein Licht, das nicht gesehen werden kann, ein Licht, das verborgen ist, ein begrabenes Licht - ein verwundetes Licht...

Die Erinnerung an eine zufällige Begegnung mit einem Kleinkind auf einem Spaziergang durch Bethlehem half der Künstlerin also durch den Akt des Zeichnens in den Dialog mit dem Wissen um das verborgene, verwundete Licht zu treten, und dieses nach und nach in sich freizulegen. Dieser Prozess gab der Künstlerin schließlich die Kraft, eine schwere Lebenskrise hinter sich zu lassen. In diesem Sinne war die Begegnung mit dem Kleinkind und die Erinnerung daran eine existenzielle Erfahrung, die das Leben der Künstlerin nachhaltig beeinflusste.

Nach Marianelas Rückkehr in ihre spanische Heimat verschwanden die Zeichnungen im Keller des Hauses, in dem sie lebte. Ungefähr zwei Monate vor der in diesem Text beschriebenen Ausstellung geriet dieses Haus in Brand und wurde fast vollständig zerstört. Vier Zeichnungen im Keller überstanden die Flammen. Auf dem Grundstück des heutigen Ausstellungsraums, dort, wo die im historischen Grundbuchamt eingetragene "Parzelle403" ab 1850 die erste Synagoge Basels beherbergte, sind nun die vier verbliebenen Kohleportraitzeichnungen vom palästinensischen Kind ausgestellt. Ein Stück Kohle, das die Künstlerin aus dem verbrannten Haus entwendet hat, dient als Platzhalter für die verlorene fünfte Zeichnung. Bei der Eröffnung der Ausstellung wird Marianela León Ruiz im Rahmen einer Performance versuchen, das Gesamtbild der Erinnerung an das Kind wieder aufleben zu lassen.


Veranstaltungen im Rahmen der Ausstellung:


19.04.24 18h00

Vernissage
Performance von Marianela Leon Ruiz / 19h00


26.04.24

Anna-Kaisa Mekling, viola da gamba / 19h00
Daniel McAlavay, piano / 20h00


11.05.24 ab 16h00

Finissage
Laurin Kathriner, piano / 18h00
Amir Bolzman, electronics und Martin Wyss, double bass / 19h00