aus patriotischen und moralischen Erwägungen heraus

Jana337

Senior Member
čeština
Stauffenberg war ein konservativer Patriot und sympathisierte zunächst mit den nationalistischen und militaristischen Aspekten des Nationalsozialismus, bevor er – im Angesicht der militärischen Niederlage des Dritten Reichsaus patriotischen und moralischen Erwägungen heraus zum aktiven Widerstand fand. Quelle
Dieser Satz bringt mich wirklich zum Lachen. Meines Erachtens stehen der blaue und der grüne Satzteil im Gegensatz zueinander. Man handelt entweder moralisch - ohne Rücksicht auf mögliche Folgen, oder opportunistisch - im Hinblick auf die bevorstehende Niederlage seines Lagers (ja, ich weiß, dass die Welt nicht schwarz-weiß ist).

Oder kann man den Satz doch anders auslegen?

Danke,

Jana
 
  • Im gleichen Artikel steht folgendes.

    Stauffenbergs allmähliche Distanzierung von der nationalsozialistischen Staatsführung begann nach der Reichspogromnacht (9. November auf 10. November 1938). Nach dem deutschen Sieg über Frankreich im Frühjahr 1940 begeisterte er sich kurzzeitig erneut für Adolf Hitler, aber nach dem Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 überzeugte ihn die Kriegführung im Osten endgültig vom verbrecherischen Charakter des Hitler-Regimes. Insbesondere wegen der Deportation und systematischen Ermordung der Juden, der brutalen Besatzungspolitik, aber auch wegen der unsachgemäßen Führung, die seiner Ansicht nach zwangsläufig in einer militärischen Katastrophe enden musste, wurde er zum entschiedenen Gegner der Nazis und schloss sich, weit vor der Kapitulation der 6. Armee in Stalingrad, dem militärischen Widerstand an. Der Zeitpunkt des Anschlags weist jedoch darauf hin, dass sich die Attentäter - die bereits seit Jahren von der Vernichtungspolitik wussten - erst zum Putsch entschlossen, als der drohende Verlust des Krieges und die damit verbundenen Folgen für Deutschland im Allgemeinen und für das deutsche Militär im Besonderen offensichtlich wurden.

    Meine Vermutung: Die "moralischen Gründe" beziehen sich auf die Situation in den Konzentrationslagern. Die "patriotischen Gründe" beziehen sich darauf, dass Stauffenberg sein Land vor Hitlers Realitätsverlust schützen wollte.
     
    Vespasian said:
    Im gleichen Artikel steht folgendes.



    Meine Vermutung: Die "moralischen Gründe" beziehen sich auf die Situation in den Konzentrationslagern. Die "patriotischen Gründe" beziehen sich darauf, dass Stauffenberg sein Land vor Hitlers Realitätsverlust schützen wollte.
    Gut, aber mit der Vereinbarkeit der patriotischen und moralischen Gründen habe ich grundsätzlich keine Schwierigkeiten. Mir geht es um die moralischen Gründe und um die drohende Niederlage Deutschlands - deswegen finde ich das Argument schlecht aufgebaut.

    Jana
     
    Jana337 said:
    Gut, aber mit der Vereinbarkeit der patriotischen und moralischen Gründen habe ich grundsätzlich keine Schwierigkeiten. Mir geht es um die moralischen Gründe und um die drohende Niederlage Deutschlands - deswegen finde ich das Argument schlecht aufgebaut.

    Jana

    Ich kann da leider nicht folgen...!?!
     
    MrMagoo said:
    Ich kann da leider nicht folgen...!?!
    Nicht einmal im ersten Beitrag? :) Ich finde, dass die Aussage unlogisch ist, weil man nicht zugleich aus moralischen Erwägungen her und im Hinblick auf die kommende Niederlage handeln kann.
    Anders gesagt,
    • entweder glaubt man, dass dass Staufenberg das Attentat begangen hätte, auch wenn Deutschland im Krieg die Oberhand gehabt hätte - das wäre denn aus moralischen Erwägungen her,
    • oder man ist überzeugt, dass er auf den Widerstand verzichtet hätte, wenn die Bundeswehr auf dem Siegeszug gewesen wäre - dann wäre seine Tat rein opportunistisch.
    Was stimmt, darum will ich nicht unbedingt sprechen - schließlich sind wir kein Geschichtsforum - aber ich glaube, dass der Autor des Satzes zwei gegensätzliche Auffassungen Stauffenbergs Motive vertritt.

    Jana
     
    Jana337 said:
    Dieser Satz bringt mich wirklich zum Lachen. Meines Erachtens stehen der blaue und der grüne Satzteil im Gegensatz zueinander. Man handelt entweder moralisch - ohne Rücksicht auf mögliche Folgen, oder opportunistisch - im Hinblick auf die bevorstehende Niederlage seines Lagers (ja, ich weiß, dass die Welt nicht schwarz-weiß ist).

    Oder kann man den Satz doch anders auslegen?

    Doch, ich sehe, was du meinst: Es hört sich so an, als ob er erst wegen den miltären Niederlagen "zum aktiven Widerstand fand". Oder haben etwa diese NIederlagen seinen Patriotismus zum Leben erweckt und sein Gewissen auf einmal belästigt? :rolleyes: Eindeutig ungelungen.
     
    cyanista said:
    Doch, ich sehe, was du meinst: Es hört sich so an, als ob er erst wegen den miltären Niederlagen "zum aktiven Widerstand fand". Oder haben etwa diese NIederlagen seinen Patriotismus zum Leben erweckt und sein Gewissen auf einmal belästigt? :rolleyes: Eindeutig ungelungen.
    Jana,

    Let me cast my vote on your side.

    Here is what seems to be going on:

    1. Stauffenberg war ein konservativer Patriot und sympathisierte zunächst mit den nationalistischen und militaristischen Aspekten des Nationalsozialismus.

    2. …bevor er

    3. ??? switched positions and opposed "Nationalsozialismus"…

    4.

    A. …because of patriotism and "moral consideration(s)" ????
    B. …because of the inevitable defeat of the Third Reich. ????

    (This is a very loose summation. The sentence is not quite so bad, but it is very unclear and misleading.)

    I THINK the point meant by the authof of the article is that the immorality (monstrosities) of Third Reich policies caused him to "change sides", becoming an opponent. The same corruption that gave him no choice but to oppose the government also made it clear to him that Germany would be defeated.

    But this point is certainly not at all clear from the sentence, which I agree is horribly written. The stress is on the defeat of Germany, which makes it seem as though his decision was opportunistic rather than moral and patriotic. Without knowing who Stauffenberg is, you would certainly not guess that this was the man who had the job of placing the explosive briefcase meant to kill Hitler and who was executed after midnight of that day.

    Gaer
     
    Hallo Jana,
    meines Erachtens ist der Satz tatsächlich nicht so gut gelungen. Schon die möglichen Mißverständnisse zeigen ja, daß eine geschicktere Ausdrucksweise angeraten gewesen wäre.

    Auf der anderen Seite sehe ich den Gegensatz nicht so deutlich wie Du. Bitte betrachte auch folgendes Argument: Angesichts einer drohenden Niederlage bleiben einer militärischen Führungskraft immer zwei Möglichkeiten: Entweder kämpfen bis zum blutigen Ende und damit den sinnlosen Verlust von zahlreichen Menschen in Kauf nehmen oder aber kapitulieren. Anbetracht der sehr hohen erwarteten Verluste, die dann ja leider später von Hitler auch realisiert wurden, indem er selbst Minderjährige noch in den bereits verlorenen Krieg schickte, war es durchaus eine moralische Entscheidung, das System zu stürzen -- zumal viele Feldherren seit Jahrtausenden immer wieder anders entschieden haben und ihnen Verluste völlig egal schienen, sobald der Kampf sowieso verloren war.

    Noch eine Anmerkung: Das Wort "Bundeswehr" bezeichnet ausschließlich die Streitkräfte der Bundesrepublik Deutschland. Während des Zweiten Weltkriegs hießen die Streitkräfte "Wehrmacht". Auf diese Unterscheidung wird heutzutage wert gelegt!

    Kajjo
     
    Ich schließe mich Kajjo und MrMagoo an. Im Kontext verstehe ich den Satz so, dass patriotische und moralische Aspekte Stauffenberg in den Widerstand getrieben haben. Angesichts der drohenden Niederlage wurde ein entsprechendes Handeln jedoch dringlich. Seine Beweggründe für den Widerstand waren also im verbrecherischen Regime zu finden. Der Zeitplan für den Putsch wurde jedoch vom Kriegsverlauf festgelegt.

    Man hätte den Satz sicherlich besser formulieren können, einen echten Widerspruch sehe ich jedoch nicht wenn er im Kontext gelesen wird.
     
    FloVi said:
    Man hätte den Satz sicherlich besser formulieren können, einen echten Widerspruch sehe ich jedoch nicht wenn er im Kontext gelesen wird.

    Wir wollen dem armen Stauffenberg keine unlauteren Motive oder gar Opportunismus unterstellen. Für mich sieht es so aus, als ob der Autor einfach nur zuviel Information in einen Satz packen wollte.
     
    Ach so, es ist mir eigentlich nicht eingefallen, dass sich die moralischen Erwägungen auf die Opfer am Kriegsende beziehen können. Soweit ich weiß, war Stauffenberg erschüttert, als er an der Ostfront die Massenerchießungen der Zivilbevölkerung miterlebte, auch wenn er nicht gerade als ein judenfreundlicher Mensch galt. Ich dachte, der Autor des Textes meinte diese Opfer, obwohl das von mir ungenügend in Betracht gezogene Wort "patriotisch" auf das Gegenteil hindeutet.

    Asche aufs Haupt für den Lapsus mit Bundeswehr; gewöhnlich passiert mir so was nicht. :eek:

    Jana
     
    Kajjo said:
    meines Erachtens ist der Satz tatsächlich nicht so gut gelungen. Schon die möglichen Mißverständnisse zeigen ja, daß eine geschicktere Ausdrucksweise angeraten gewesen wäre.
    Kajjo, I totally agree!

    In addition, consider for a moment how this same sentence struck me and might strike anyone who is not strong in German history.

    Perhaps you and others will be shocked, but I had no idea who Stauffenberg is (or was) until I read through the article. In fact, I think the article, taken in its entirety, is quite good, and I did not mean to sound overly critical towards Wikipedia in general or the writer of this particular entry. But without knowing the "full story" in advance , the one clause Jana seemed to be unhappy with (– im Angesicht der militärischen Niederlage des Dritten Reichs –) misplaces the focus. The inevitable defeat of the Third Reich seems more important than other matters.

    This was clarified later in the article:

    "Insbesondere wegen der Deportation und systematischen Ermordung der Juden, der brutalen Besatzungspolitik, aber auch wegen der unsachgemäßen Führung, die seiner Ansicht nach zwangsläufig in einer militärischen Katastrophe enden musste, wurde er zum entschiedenen Gegner der Nazis und schloss sich, weit vor der Kapitulation der 6. Armee in Stalingrad, dem militärischen Widerstand an."

    In the above sentence I believe the whole picture becomes more balanced.

    By the way, I focused on this part of the text before reading Verpasian's post, which concentrates on the same paragraph. Only at this point did the direction of the first paragraph become clear to me.

    Gaer
     
    MrMagoo said:
    Ich sah es so ähnlich wie Kajjo, sicher ist mir daher der Gegensatz, den Du meintest, Jana, nicht so deutlich ins Auge gefallen...
    Apparently Jana and I reacted negatively for entirely different reasons. I started from scratch, having no idea who Stauffenberg was, and I had read only the sentence Jana mentioned in this thread.

    Please take a moment to read the English entry for Stauffenberg. While the "story" is essentially the same, the focus is a bit different.

    "While some aspects of the Nazi Party's declared ideology were repugnant to him, Stauffenberg did not oppose others, in particular its nationalism. By 1939, however, the growing systematic maltreatment of Jews and suppression of religion had offended Stauffenberg's sense of morality and justice; he felt, for instance, that the November 1938 Kristallnacht had brought great shame upon Germany."

    The focus now seems to be that Stauffenberg was deeply disturbed by policies as early as 1938 and did not take action in opposing the government earlier because he was not in a position to do so.

    "Initially, he felt powerless as he was in no position of authority to help organise a coup, but finally in 1943, after recuperating from his wounds, he was posted as a staff officer to the Replacement Army located in an office on the Bendlerstrasse in Berlin."

    Those of you who are extremely knowledgeable regarding this part of German history may find either the German article or the English one more accurate, and I would be curious to know your opinions.

    Gaer
     
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