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Ayurveda auf Sri Lanka Traum in Öl

Wer eine Ayurveda-Kur macht, will keinen Action-Urlaub, sondern Entspannung pur. Sri Lanka ist der perfekte Ort dafür. SPIEGEL-ONLINE-Redakteurin Jenny Hoch ließ sich mit Wonne einölen und massieren - und fühlte sich in der normalen Welt plötzlich wie eine Außerirdische.

Was haben eine Bibliothekarin aus Sachsen, ein DJ aus London, ein Banker aus der Schweiz und eine Goldschmiedin aus Hamburg gemeinsam? Im Alltagsleben vermutlich nicht viel. Doch hier auf Sri Lanka, am anderen Ende der Welt, rühren auf einmal alle im selben Kräutertee. Häufeln sich maßvoll gedämpftes Gemüse mit unterschiedlichen Gewürzen auf die Teller. Sitzen mit ölgetränkten Turbanen im Schatten und befolgen brav dieselben Regeln.

Davon gibt es an diesem besonderen Ort einige: Die erste Kräutermedizin des Tages muss um sechs Uhr morgens getrunken werden, das leckere Kokoswasser gibt es nur bis zwei Uhr mittags, sonst kühlt es den Körper zu sehr aus, pralle Sonne ist zu meiden, ebenso wie Alkohol oder Zigaretten. Duschen ist nur mit warmem Wasser erlaubt. Fleisch kommt nicht auf den Tisch und eisgekühlte Coca Cola oder ähnliches Teufelszeug erst recht nicht ins Glas, darüber wacht eine gestrenge Ärztin.

Damit kein falscher Eindruck entsteht: Wir machen das alles freiwillig. Und finden es herrlich. Das ist ein wunderbar erholsamer Urlaub, und zwar kein trendiger Wellness-Trip mit ein paar flüchtigen Massagen hie und da, sondern eine im familiären Barberyn Reef Ressort  in Beruwela nach allen Regeln der Kunst durchgeführte Ayurveda-Kur. Zu so einem Gesundheits-Urlaub entschließen sich seit einigen Jahren immer mehr zivilisationsgestresste Menschen. Und das Fazit nach zwei Wochen lautet: Für Abenteuer-Junkies oder Party-Touristen ist das nichts, wohl aber für jene, die abschalten und dabei sich und ihrem Körper etwas Gutes tun wollen.

Traumhaft: Die vierhändige Massage

Der Aufwand, der beim Ayurveda betrieben wird, ist immens: Da sind die Kräuteröle, -tinkturen, -tabletten und –säfte, die passend zu den drei ayurvedischen Körperkonstitutionen Kapha, Pitta und Vatha hergestellt werden. Das ebenfalls darauf abgestimmte, mehrmals täglich frisch zubereitete vegetarische Essen. Die sowohl schulmedizinisch, als auch ayurvedisch ausgebildeten Ärzte, die nach Pulsdiagnose und intensiver Befragung eine individuell abgestimmte Therapie verordnen, und die Akupunkturärzte. Dazu kommen die Massagen, bei denen zwei Therapeuten gleichzeitig und nach jahrelanger Übung perfekt aufeinander abgestimmt einen verspannten Körper behandeln. Dann gibt es die Badefrauen, die einen - "come madam"- je nach Leiden oder Verspannungsgrad mit warmem Kräuterwasser beschöpfen, inhalieren lassen, mit Kräuterwickeln versorgen oder in einen altmodischen hölzernen Schwitzkasten stecken.

Der Tag lässt sich so herrlich vertändeln. Der beste Moment wiederholt sich zum Glück täglich. Das sind die Minuten direkt nach der Behandlung: Angenehm erwärmt, gründlich eingeölt, mit Kräutersäckchen betupft und buchstäblich vom Scheitel bis zur Sohle durchmassiert tritt der Kurgast ins Freie. Dort empfängt ihn eine unvergleichlich sanfte Brise, exotische Vögel zwitschern und leise rauscht das Meer. So schwerelos und rundum wohl fühlt man sich selten.

Die Entscheidung, die es dann nur noch zu treffen gilt, lautet: gleich auf die Liege mit Blick auf Wasser und Sandstrand und weiterlesen, oder doch erst einmal eine Runde schwimmen? Wir entscheiden uns für die dritte Option, eine Bootsfahrt auf dem nahe gelegenen Bentota-Fluss. In schmalen Motorboten schippern wir durch Mangroven-Wälder, entdecken Warane, die sich perfekt getarnt und voll gefressen auf den Ästen der Bäume räkeln. Ein Affe guckt aus den Wipfeln auf uns herab und verschwindet im Dickicht.

Außerirdische im Touristenparadies

Auf dem Rückweg wollen wir eine Tasse Tee trinken und landen in einer anderen Welt: Wir treffen auf "echte" Touristen. Eine Spezies, die uns inzwischen recht fremd geworden ist. Sie stopft riesige Club-Sandwiches mit Pommes in sich hinein, die Musik dröhnt, überall stehen Aschenbecher und die Kellner schleppen pausenlos Bier-Krüge heran, an denen sich außen Wassertröpfchen bilden, so kalt ist ihr Inhalt. Als wir bei 32 Grad Celsius und extremer Luftfeuchtigkeit zaghaft nach heißem Tee und lauwarmem (!) Wasser fragen, werden wir angeschaut wie Außerirdische. Also raffen wir unsere Jutebeutel, die jeder Kurgast bei seiner Ankunft bekommt, zusammen und kehren in unsere ruhige, nicht klimatisierte Oase mit den schön, aber schlicht eingerichteten Bungalows direkt am Strand zurück.

Wer so früh zu Bett geht, wie es hier üblich ist – im Hotel ist ab neun Uhr Abends nichts mehr los – kann auch in den Ferien früh aufstehen: Um 6.30 Uhr wartet die Yogalehrerin auf dem Dach des verwinkelten Ressorts. Von dort oben hat man einen wunderbaren Blick auf die lang gezogene Bucht. Das Meer ist ruhig. Spiegelglatt liegt es da, es herrscht Ebbe. Auf dem vorgelagerten Riff stolzieren Wasservögel auf der Suche nach Essbarem. Der helle Sandstrand ist von Palmen gesäumt. Ein paar Frauen, die bunte Tücher verkaufen, haben es sich schon um diese Uhrzeit in deren Schatten bequem gemacht. Ein gutes Dutzend Touristen lässt sich im Wasser treiben, einige spazieren am Ufer entlang.

Kaum zu glauben, dass über diese Idylle vor nicht einmal drei Jahren die Hölle einbrach. Zwei riesige Tsunami-Wellen türmten sich entlang der Südküste Sri Lankas auf und rissen alles mit sich: Menschen, Häuser, Bäume, Straßen – auch hier in Beruwela, etwa 60 Kilometer südlich der Hauptstadt Colombo.

Neue Zeitrechnung nach dem Tsunami

Auch das Hotel war fast völlig zerstört, die Bungalows mit Blick aufs Wasser waren verschwunden, die Kräuterküche samt den Vorräten seltener Heilpflanzen weggeschwemmt, der Speisesaal komplett kaputt. Bis auf zwei Menschen konnten damals alle der 100 anwesenden Gäste und die 150 Angestellten gerettet werden. "Das war gar nicht so einfach, die Leute zu überzeugen, alles stehen und liegen zu lassen", erzählt der langjährige Direktor des Ressorts, Manick Rodrigo, "denn bis die Wellen kamen, war das ein Morgen wie jeder andere: friedlich und mild". Doch einer seiner Fahrer, der gerade mit einer japanischen Touristin auf dem Weg zum Flughafen war, rief ihn frühzeitig an und erzählte ihm etwas von einer gigantischen Wassermasse, auf der sogar Busse schwämmen. Er war völlig aufgelöst, doch die Japanerin habe sie sofort gewarnt, dass es sich um einen Tsunami handeln könnte.

Nach der Katastrophe war das Hotel, das als eine der ältesten Ayurveda-Ressorts des Landes gilt, über ein Jahr lang geschlossen. Doch Dank der Spenden ehemaliger Gäste konnte Rodrigo seine Angestellten trotzdem weiter bezahlen - das war bitter nötig, denn nicht wenige verloren Angehörige oder ihre Häuser und standen vor dem Nichts. Mit Hilfe eines günstigen Regierungskredits renovierte und modernisierte er das Ressort von Grund auf.

Herausgekommen ist ein Schmuckstück: Ein schönes, aber keineswegs überkanditeltes Hotel mit ruhiger Atmosphäre. Die Stammgäste sind zahlreich, denn wer sich hier einmal tiefenentspannt hat, kommt gerne wieder. In der Mehrzahl sind deutsche Gäste, aber auch andere Europäer, Asiaten und sogar Einheimische kommen regelmäßig. Übertriebenen Luxus darf man allerdings nicht erwarten: Die Behandlungsräume sind funktional, die Wannen und Ruheliegen sind nicht auf edel getrimmt, sondern tun ihren Dienst.

Seit der Naturkatastrophe gibt es auch im Barberyn-Hotel zwei Zeitrechnungen: Vor dem Tsunami und nach dem Tsunami. Auch wenn äußerlich kaum noch Spuren der Naturkatastrophe zu finden sind, in den Köpfen der Angestellten wird sie noch lange präsent bleiben. Jeder Tourist, der zu ihnen kommt, hilft, den Schock zu überwinden.

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