Nachwort zu diesem Buch

Willigis Jäger

Willigis Jäger zum Buch von Lorenz Marti
«Eine Hand voll Sternenstaub»

Willigis Jäger, geboren 1925, ist Benediktiner, Zen-Meister, Begründer der «Würzburger Schule der Kontemplation» und der Zen-Linie «Leere Wolke».

Wir sind Sternenstaub. Die Grundstoffe unseres Körpers stammen aus dem Inneren der Sterne. Über Jahrmillionen haben die kosmischen Kräfte eine Entwicklung vorangetrieben, die zu unserer Existenz hier und heute geführt hat. Wir können nur staunen, dass es so gekommen ist. Unser Dasein erweist sich als eigentlicher Glücksfall. Als Geschenk. Und als Geheimnis, das nie ganz zu ergründen ist. Lorenz Marti entdeckt dieses Geheimnis unseres Lebens im Spiegel des Universums. Eine überraschend neue Perspektive. Sie kann unser Leben verändern.

Wer sind wir?
Nachwort von Willigis Jäger zu diesem Buch

Ein ungewöhnliches Buch. Ein faszinierendes Buch. Es versucht, uns zu sagen, wer wir sind. –

Wer sind wir? Ein Bündel von Atomen und Molekülen, die bereits in Millionen von andern Menschen und Lebewesen existierten, bevor sie sich in unserer Existenz zusammenfanden? Sie sind Milliarden Jahre alt und werden wohl noch Milliarden Jahre existieren.

Raum und Zeit erhalten eine relative Bedeutung. Noch einmal die Frage: Wer sind wir eigentlich, diese Spezies, die sich stolz «homo sapiens» nennt und für kurze Zeit auf einem Staubkorn am Rande eines unfassbaren Weltraumes existiert?

Ein Wimpernschlag in der Zeitlosigkeit, ein Wellenschlag in einem Ozean, der weder Anfang noch Ende kennt? Mitspieler in einem zeitlosen Geschehen, Gespielte eines zeitlosen Spielers?

Es gibt darauf keine zufriedenstellende intellektuelle Antwort. Nur wenn es uns gelingt, aus dem «Egotunnel» (so der deutsche Philosoph Thomas Metzinger) hinauszuschauen, ahnen wir, dass unser wahres Wesen mit Raum und Zeit nichts zu tun hat. In ihm zeigt sich ein nicht begreifbarer Urgrund, der immer wieder Gestalt annimmt und sich auch als dieser Mensch, der wir sind, kreiert.

Schon mehrmals ist das Leben auf unserer Erde fast ganz ausgelöscht worden. In den kommenden Jahrtausenden könnte ein Asteroiden- oder Kometeneinschlag die Menschheit dezimieren oder auslöschen. Anderseits gibt es mit grosser Wahrscheinlichkeit auch anderswo in diesem Universum Leben. Lebewesen, ähnlich wie wir oder ganz anders, an eine gewisse Zeit gebunden, um dann wieder zu verschwinden.

Was bedeutet in diesem Zusammenhang Religion? Wir brauchen auch ein neues religiöses Selbstverständnis, eine neue Deutung von Jesus und Buddha und den andern Grossen der Mensch-heitsgeschichte. Sie haben uns aus der Ich-Eingrenzung herausgeführt. Nur im Uebersteigen des Ich und der Rationalität können wir unser zeitloses Wesen erfahren. Denken gehört der Zeit an. 

Keine Philosophie oder Theologie kann uns eine endgültige Antwort geben.  Nur wenn es gelingt, das Denken zu über-schreiten und eine transpersonale, eine mystische Erfahrungs-ebene zu erreichen, werden wir mehr vom Sinn der Existenz begreifen.  Diese Ebene bringt Einheit, Verbundenheit und Liebe.
Es ist offenbar, dass nur diese Ebene  der Liebe die Zukunft unserer Spezies garantiert. Das vorliegende Buch kann uns Wegweiser dorthin sein.

 

Willigis Jäger

„Jede Religion hat heilige Schriften, Rituale und Gebote. Sie sollen dem Menschen helfen, das zu finden, was mit Gott, Gottheit, Wesensnatur, Sunyata usw. bezeichnet wird. Schriften und Rituale können immer nur auf Gott deuten. [...] Wer Gott erfahren will, muss Bücher, Rituale und alles mentale Begreifen übersteigen. Darum suchten alle Religionen Wege, die in die Erfahrung der letzten Wirklichkeit führen. Im Buddhismus entwickelten sich Zen, Vipassana und die tibetischen Wege. Bei den Hindus entstanden die verschie-denen Formen des Yoga. Im Islam entfaltete sich der Sufismus, im Judentum die Kabbala und im Christentum die Kontemplation. Es sind das spirituelle Wege, die in die Erfahrung dessen führen sollen, was die Heiligen Schriften und Gebote der verschiedenen Religionen lehren. [...] Sie wollen in die Erfahrung der Urwirklichkeit führen. [...]
Die transzendentalen Erfahrungsräume zählen zur Grundbegabung unserer menschlichen Existenz, wenn auch viele Menschen davon nichts wissen.“