Zum Diner ins Bad

Auf dem Sims brennen Kerzen, in den Gläsern perlt der Sekt, aus der Ecke klingt Kuschelmusik, auf dem Tisch steht ein Bukett, und auf den Tellern liegen kulinarische Köstlichkeiten -- kurzum, alles ist da, was von einem romantischen Abendessen erwartet

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Auf dem Sims brennen Kerzen, in den Gläsern perlt der Sekt, aus der Ecke klingt Kuschelmusik, auf dem Tisch steht ein Bukett, und auf den Tellern liegen kulinarische Köstlichkeiten -- kurzum, alles ist da, was von einem romantischen Abendessen erwartet wird. Die Umgebung dagegen ist gewöhnungsbedürftig, denn das «Diner zu zweit» findet in einem Badezimmer statt. Und die Gäste sitzen splitternackt im Wasser. Nicht in gewöhnlichem Wasser, sondern im Heilwasser aus Europas wasserreichster Akratotherme. Der aussergewöhnliche Badespass findet nämlich im historischen Dorfbad von Bad Ragaz statt, das seit letztem November als schön renoviertes «Spahouse» mit einer grossen Palette an Wellness- und Therapieangeboten aufwartet.

Vom Armenbad zum Wohlfühltempel

Der imposante Bau mit der säulengeschmückten Vorhalle ist der letzte seiner Art in der Schweiz. Er wurde 1866/76 vom Kanton St. Gallen als öffentliche «Trink- und Badeanstalt» zum Zwecke der Hygiene und Erholung erstellt. In den Grand-Hotels daneben kurten die reichen Leute, hier aber stand das 36,6 Grad warme Heilwasser aus der Taminaschlucht auch der ärmeren Bevölkerung zur Verfügung. Die ab dem 14. Jahrhundert zu Heilzwecken genutzte Therme eignet sich besonders zur Behandlung des Stütz- und Bewegungsapparats und der Herz-und-Kreislauf-Organe sowie von stoffwechselbedingten und von neurologischen Störungen. Neben Bade- wurden auch Trinkkuren empfohlen. Wer das wertvolle Nass schlürfe, so hiess es, bleibe zehn Jahre lang gesund. Im Laufe der Jahrhunderte sahen die Bäderanlagen denn auch viele illustre Besucher aus aller Welt. Einer von ihnen war Theophrastus von Hohenheim, genannt Paracelsus, der 1542 eine vielbeachtete Schrift darüber verfasste.

Das Dorfbad erfreute sich lange Jahre grossen Zuspruchs. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts kam es jedoch - wie so viele andere Bade- und Kuranstalten - mehr und mehr aus der Mode. 2003 wurde der Betrieb ganz eingestellt; die Räume standen von da an leer. Auf Initiative des Naturheilpraktikers Stefan Schaub, der in zweiter Generation das früher in Zürich domizilierte «Schaub-Institut für Ernährung und Naturheilverfahren» leitet, sind sie nun zu neuem Leben erwacht. Wiederum war es der Kanton St. Gallen, der die finanziellen Voraussetzungen dafür schuf. Mit seinem Kredit von 5,2 Millionen Franken wurde das Gebäude nach denkmalpflegerischen Grundsätzen restauriert und den heutigen Bedürfnissen angepasst. Das Ergebnis ist ein schlichter, luftiger Wohlfühltempel mit nostalgischem Ambiente. Die Eingangshalle enthält ein kleines Bistro, der geschweifte Korridor ist als Warte- und Ruheraum möbliert, und die Badekabinen mit den versenkten, gekachelten Wannen und hohen Fenstern vermitteln dank heiteren Farben, verspielten Wandmalereien und unaufdringlichen Dekorelementen gute Laune und Entspannung.

Wellness und Naturheilkunde

Genauso interessant wie die Kombination von alter Bausubstanz mit moderner Technik und Design ist das Angebot. Durch die Verbindung von Heilbad und Naturheilpraxis ergibt sich eine breite Palette an Wellness- und Therapie-Behandlungen, von Heilbädern und Massagen bis hin zur Pulsdiagnose und zur Ernährungsberatung. Die entspannenden Badezeremonien sind in über 30 Varianten zu haben. Ein Team ausgewiesener Naturheilpraktiker und Therapeuten garantiert eine fachkundige individuelle Betreuung. Jeder Gast erhält seinen privaten Bade- und Therapieraum und die auf ihn abgestimmten, in der hauseigenen Kräuterküche frisch zubereiteten Badezusätze, Peelingessenzen, Massageöle und Heilschlämme.

Wie die Zahlen der ersten fünf Monate beweisen, kommt das Konzept sehr gut an. Vor kurzem konnte der 1000. Gast willkommen geheissen werden. Neben den dreissigminütigen Einzelbädern sind vor allem die sinnlichen Baderituale für Paare beliebt. Das eingangs erwähnte «Dîner dans le bain», ein zweistündiges Bad mit einem Viergangmenu aus der Küche des benachbarten Hotels Tamina, wurde seit November fünfzig Mal gebucht. Auch Bad Ragaz selber profitiert vom Erfolg seines neuen «Spahouse»: Dank den neuen Kurgästen konnten bisher 300 Logiernächte verzeichnet werden.

Christa Arnet