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    Engel des Bösen - Die Geschichte eines Staatsfeindes
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Engel des Bösen - Die Geschichte eines Staatsfeindes
    Von Michael Smosarski

    Die Amerikaner haben die Mafia vielleicht nicht erfunden, aber sie haben sie zum Erfolgsmodell gemacht – filmisch zumindest. Zuverlässig wie ein alter Volvo laufen die „Der Pate"-Teile, „GoodFellas" und etliche Epigonen der „Familien"-Epen, sei es im TV oder in der Vorstellungswelt mediengeprägter Konsumenten. Die Filme zeigen Räume in gedämpftem Licht, Männer in eleganten Anzügen mit Maschinengewehren und natürlich Marlon Brando, im Halbdunkeln hinter geschlossenen Vorhängen und mit gefährlich ruhiger Stimme. Umso spannender also die Frage, welche Ästhetik eine italienische Produktion wie „Engel des Bösen" diesem amerikanischen sfumato wohl entgegenzusetzen vermag. Zugegeben: Der Vergleich ist ungerecht. Nichtsdestotrotz bleibt festzuhalten, dass Michele Placido dem Gangsterfilm keine neuen Facetten abgewinnen kann. Das liegt unter anderem auch an der Unentschlossenheit des Films, der sich bis zum Schluss nicht für eine ästhetische Ausrichtung entscheiden kann.

    Die Biographie Renato Vallanzascas (Kim Rossi Stuart) zeugt von einem klaren, langfristig angelegten Karriereplan: Bereits als Kind mit beachtlicher krimineller Energie ausgestattet, terrorisiert er als junger Mann mit seinen Freunden die Stadt. Mit wachsenden Ambitionen versammelt er ein Team von Profis um sich, mit dem er Überfall um Überfall begeht. Auch diverse Gefängnisaufenthalte können ihn in seinem Tatendrang nicht bremsen. Auf diese Weise avanciert Vallanzasca schon bald zum berüchtigsten Verbrecher des Landes. Doch damit nicht genug: Er wird zum Star und Frauenschwarm, zum medialen Mythos, dem Inbegriff des Gangsters „alter Schule"...

    Das Überzeugendste an „Engel des Bösen" ist Hauptdarsteller Kim Rossi Stuart. Mit diabolischer Ausstrahlung und anarchisch-aufbrausendem Gestus verleiht er der Figur des Renato Vallanzasca eine beängstigende Präsenz. Dass die anderen Figuren wie Streiflichter erscheinen, ist jedoch nicht dem vermeintlich zu starken Spiel Stuarts geschuldet, sondern vielmehr einem Mangel an fiktionaler Tiefe. Dieser Fakt verweist auf eine zentrale Schwäche von „Engel des Bösen", nämlich das zu zerfahrene und hektische Drehbuch. In dem Anspruch, die komplette Biographie des Gangsters Vallanzasca zu erzählen und durch die völlige Konzentration auf seine Hautfigur verpasst es das Script, ein belastbares Fundament zu legen. Die Dialoge sind meist einsilbig und wenig erinnerungswürdig, zwischen den Actionsequenzen bleibt kaum Raum für Szenen, die dem Zuschauer die Motive und das Wesen der Figuren näherbringen könnten. Ebenso ungünstig ist, dass die Story, obwohl ziemlich geradlinig erzählt, oft nicht gerade leicht nachvollziehbar ist. Es wird zuviel erstochen, geraubt und geschossen und zu wenig erklärt oder in größere Zusammenhänge eingebettet.

    Regisseur Michele Placido räumt ein, Vallanzasca „ein bisschen verherrlicht" zu haben. Das lässt sich nicht von der Hand weisen und erklärt die Entrüstung von Politik, Justiz und Hinterbliebenen in Italien. Problematisch daran ist, abseits von etwaigen moralischen Vorbehalten, dass die Stilisierung des Verbrechers als Superheld ästhetisch nicht wirklich funktioniert, denn die Figur trägt, trotz der überzeugenden Leistung Stuarts, einfach nicht so weit. Ähnlich verheerend ist auch, dass „Engel des Bösen" unentwegt zwischen Gangsterballade, High-Gloss-Produktion und simplem Actionreißer hin- und herschlingert und dabei dem metaphorischen Straßengraben gefährlich nahe kommt. Beispielhaft dafür ist eine Sequenz, die in offensichtlicher Anlehnung an „Ocean´s Eleven" die Zusammenstellung von Vallanzasca Profiteam darstellt – eine ziemlich platte Anbiederung, ohne dass der Regisseur in Sachen Stil seinem amerikanischen Pendant Steven Soderbergh Paroli bieten könnte.

    Dass „Engel des Bösen" qualitativ wenigstens im Mittelmaß bleibt, hat der Film seinem Hauptdarsteller und dem insgesamt hohen Tempo zu verdanken. Schade ist insbesondere, dass die Biographie Vallanzascas, der für die Kriminalgeschichte Italiens tatsächlich von nicht unwesentlicher Bedeutung ist, keine soziohistorische Einbettung erfährt. Es wäre sicher interessant gewesen, die gesellschaftlichen Entstehungsbedingungen des organisierten Verbrechens im Exportland der Cosa Nostra und damit auch der Mafiosi-Albträume Hollywoods näher kennenzulernen.

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