Presseschau

NZZ vom 27.03.2015

«Meine Religion ist der FC Basel»

Eine Ausstellung in der Basler Barfüsserkirche zeigt Parallelen zwischen dem heutigen Fussball und der Religion

Am Sonntag ins Fussballstadion statt in die Kirche: Fussball ist mehr als eine Sportart, er wirkt, ähnlich wie die Religion, sinnstiftend, verbindend und strukturierend. Eine Ausstellung in der Fussballstadt Basel dokumentiert Parallelen.

Daniel Gerny, Basel

Am 4. Februar 2014 erfüllte sich Elena Vargas ihren grossen Traum: Nicht in einer Kirche, sondern im Mittelkreis des Estadio Jardines del Hipódromo in Montevideo (Uruguay) trat die glühende Anhängerin des Fussballvereins Danubio FB mit ihrem Bräutigam vor den Traualtar. Das Bild dieser Hochzeit ist zurzeit im Historischen Museum Basel zu sehen, das sich in seiner neuen Ausstellung mit verschiedenen Parallelen zwischen Fussball und Religion auseinandersetzt. Fussball ist oft mehr als Fussball, wie man in Basel weiss, wo der lokale Verein massgeblich zur regionalen Identitätsbildung beiträgt und wo die Spielpläne der Champions League den Takt der Stadt ebenso mitbestimmen wie die kirchlichen Feiertage.

Kathedrale zu St. Jakob

Man muss deshalb nicht bis nach Uruguay reisen, um die teilweise mystisch anmutende Überhöhung und Inszenierung dieses Sports mitzubekommen: Fährt man nachts von Zürich kommend mit dem Auto in Basel ein, dann ist das Fussballstadion St.-Jakob-Park das erste Gebäude, das man von der Stadt wirklich wahrnimmt. Einer Kathedrale gleich und blau-rot erleuchtet, schwebt es vorbei. Fussballstadien sind längst keine Zweckbauten mehr, sondern sie sind wie Kirchen so gestaltet, dass sie von aussen die Aufmerksamkeit bündeln und im Innern das Geschehen maximal steigern: Der Einzug der Spieler beginnt, das Publikum erhebt sich, Gesänge erfüllen den Raum, der Anpfiff naht. «Das Spiel ist alles. Alltag und Aussenwelt sind vergessen», wie es in der Ausstellung heisst.

Das Historische Museum Basel befindet sich in der Barfüsserkirche, und die Macher spielen in diesem Kontext bewusst mit der Nähe von Fussball und Religion: Zwischen Heiligenstatuen und Reliefs aus der Passionsgeschichte aus dem 16. Jahrhundert werden Bilder von lokalen Fussball-Idolen projiziert. An anderer Stelle fügen sich Fotografien der Gesichter von in Trance verfallenen Anhängern nahtlos in die sakrale Ausstrahlung des Museums ein. Ausgestellt ist auch ein Pin aus Basel in der Form des christlichen Kreuzes mit der unverblümten Aufschrift: «Meine Religion ist der FCB.» Das Objekt ist aus Sicht der Kuratorin Margret Ribbert typisch für die alles andere dominierende Identifikation.

Dieses Quasireligiöse wird vom Fussball durchaus bewusst gesucht, etwa wenn Stücke aus Fussballrasen zur Geldbeschaffung als eine Art Reliquien verkauft werden. Doch die Anziehung zwischen Fussball und Religion funktioniert interessanterweise auch in der Gegenrichtung: Zu sehen ist in Basel unter anderem ein Bild des heiligen Aloisius Scrosoppi, der vor fünf Jahren in Abstimmung mit dem Vatikan hochoffiziell zum Schutzpatron für Fussballer ernannt wurde. Selbst in der nüchterneren Welt der Nordwestschweizer reformierten Landeskirchen wurde der Bezug zum Fussball vor einigen Jahren aktiv gesucht, als diese das Publikum im Rahmen einer Plakatkampagne anspielungsreich fragte: «Ist Fussball alles, woran Sie glauben?»

Über das Stadion hinaus

So dringt der Fussball nach und nach in unseren Alltag ein – nicht nur in jenen der hartgesottenen Fans, die ihre Kinder (wie in Dortmund möglich) in einem Gebärsaal in den Vereinsfarben entbinden. Fussball prägt das Bewusstsein über die Stadionbesucher hinaus, wie die nicht mehr nur in Basel übliche Schmückung von öffentlichen Gebäuden in den Farben des lokalen Vereins nach wichtigen Spielen zeigt. Sich im Umfeld des Fussballs zu präsentieren, bringt Politikern Popularität, Detailhändlern Kundenbindung und Einwanderern Verwurzelung und Integration. Die mitunter religiös anmutende Kraft des Phänomens Fussball erklärt aber auch, weshalb den negativen Begleiterscheinungen mit polizeilicher Taktik alleine schwer beizukommen ist: Fanmärsche beispielsweise sind mehr als sich von A nach B bewegende Menschenmassen. Sie können, wie Bildausschnitte eindrücklich zeigen, als kirchlichen Prozessionen nachempfundene Umzüge mit feierlicher Konnotation angesehen werden.

Bremen, Barcelona, Moskau

Die Ausstellung unter dem Titel «Fussball – Glaube. Liebe. Hoffnung.», die in Kooperation mit dem Amsterdam Museum zustande gekommen ist, dokumentiert ihr Thema in Bildern, Filmausschnitten, Objekten und interaktiven Multimedia-Tools. Auf historische und soziologische Erklärungsversuche verzichtet sie aber weitgehend. Die Ausstellung ermöglicht deshalb einen guten Einstieg ins Thema, eine vertiefte Auseinandersetzung bietet sie nicht. Zu sehen ist die Ausstellung in Basel noch bis 16. August, danach begibt sie sich auf eine Reise in verschiedene europäische Städte wie Lyon oder Barcelona, bevor sie 2018 anlässlich der Fussball-WM in Moskau endet. Auch dieser Abschluss passt ins Bild: Wie sagte doch Fifa-Präsident Joseph Blatter kürzlich: «Ich glaube an Gott. Und ich glaube an mich selbst.»

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