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Nottingham Auf den Spuren von Robin Hood

Dieser Wald ist ein Mythos: Im Sherwood-Forest soll der wohl bekannteste Verbrecher aller Zeiten gelebt haben. Eine Spurensuche in Mittelengland.
Von Oliver Abraham

Nebelschwaden wabern durch den Wald. Vom mannshohen Farnkraut tropft Tau. Das undurchdringliche grüne Gestrüpp zieht sich scheinbar endlos durch den Wald. Mächtige Eichen stehen im lichten Forst - uralte, knorrige, verwachsene Skulpturen. In der Ferne klopft ein Specht. Lichtfinger greifen durch die Baumkronen, setzen die gewaltigen Bäume in Szene, schaffen Trugbilder. Willkommen in einem der berühmtesten Wälder der Welt: Willkommen im Sherwood Forest.

Sag' Nottingham, und die Leute denken an Robin Hood. Hier, im Sherwood-Forest, soll er also gehaust haben, der berühmteste aller Straßendiebe, der die Reichen beraubt und die Beute mit den Armen geteilt haben soll. Wer nahe der Ortschaft Edwinstone, nördlich von Nottingham, in den Wald eindringt, kann die Atmosphäre dieser berühmten Stätte genießen: Zum Verstecken eignet sich der dichte Dschungel aus Farnkraut auch heute noch gut. Selbst der dicke Bruder Tuck, ein Kumpan von Robin, könnte zwei Meter neben dem Weg im Gebüsch liegen, ohne entdeckt zu werden.

Was an den Erzählungen über die Wegelagerer Robin Hood, Bruder Tuck, Little John, Will Scarlet und die Holde Maid Marian wahr ist, kann heute keiner so genau sagen. Sah der Held etwa so gut aus wie Errol Flynn? War das Räuberleben wirklich so lustig wie es Walt Disney zeichnete? Über viele Jahrhunderte wurde die Geschichte mündlich weitergegeben. So vermischten sich tatsächlich Geschehenes und Erfundenes zu einer immer wilderen Geschichte, erfährt man im Visitor Information Center in Edwinstone, der örtlichen Touristeninformation.

James Holt, Professor an der Universität Cambridge, geht davon aus, dass der Outlaw im zwölften Jahrhundert sein Unwesen getrieben haben muss. Gesichert ist, dass die Wälder nördlich des River Trent seinerzeit einfach zum Eigentum des Königs erklärt wurden, sie standen damit unter strengem Recht. Nur der König selbst durfte sich an den natürlichen Schätzen, Wild und Holz, bedienen, für die Not leidende Bevölkerung war der Wald tabu. Und dass das eingehalten wurde, dafür sorgten des Königs Statthalter - meist mit unbarmherzigen Methoden. Gesetzesbrecher, die sich der königlichen Rechtsprechung entzogen, war fortan Outlaws, Vogelfreie. Einer der Verstoßenen, ein Robin aus Locksley, verschwand - wohl während der Regentschaft Richard I - im Wald, sammelte Gleichgesinnte um sich, beklaute die Reichen und gab der geknechteten Bevölkerung. Die Legende war geboren.

Auf einem Felsen über Nottingham thront die Burg. Hier mag der böse Sheriff residiert haben, der Robin stets unterlegen war. Hätte er den gewitzten Strauchdieb einfangen können, wäre dieser vermutlich in die düsteren Katakomben der Burg gesteckt worden. Ein unterirdisches Labyrinth durchzieht den Fels, Feuchtigkeit tropft von den Sandsteinwänden, manche Wege verlieren sich in der Dunkelheit. Nur der Führer kennt den Weg - es ist also besser, in seiner Nähe zu bleiben.

Ob die Burg nicht doch einen Geheimgang zum Gasthaus hat, das sich gleich nebenan an den Felsen schmiegt? Der älteste Pub Englands soll dies sein, der "Ye olde Trip to Jerusalem". Schon im Jahre 1189 wurde hier Bier ausgeschenkt, an die Kreuzritter, bevor sie zum Raubzug in den vorderen Orient aufbrachen. Heute strahlt der Pub die Atmosphäre vergangener Zeiten aus: Eine niedrige Decke, teils eng, verwinkelt, offenes Feuer und der Geruch nach Rauch, einige Sitzecken sind in den blanken Fels gehauen. Hier kann man sich bei einem Pint lauwarmen "Olde Trip Ale" Gedanken über Robin Hood und die Gerechtigkeit machen. Eine schöne Geschichte ist es immerhin, und so bizarre Bäume wie im Sherwood Forest gibt es schließlich auch nicht überall.

Information: Nottingham liegt in Mittelengland südlich des Industriereviers Manchester/Leeds/Sheffield. Die rund 290.000 Einwohner zählende Stadt ist Verwaltungszentrum eines typisch englischen, ländlich geprägten Umlandes mit kleinen gemütlichen Dörfern. Erreichbar ist Nottingham vom Kontinent am besten von Rotterdam/Europoort mit Übernachtung an Bord der Fähre via Hull; "British Midland" fliegt den Flughafen East Midlands Airport unmittelbar südlich der Stadt an. Wanderwege erschließen die Region. Zwischen den Orten Mansfield und Worksop, nördlich von Nottingham, liegen die größten Waldgebiete des Sherwood Forest, dort liegt auch das Dorf Edwinstone mit dem nahen Visitor Center. In der Kirche von Edwinstone soll Robin angeblich seine Geliebte Marian geheiratet haben.

Generelle Auskunft über England verschickt die British Tourist Authority in Frankfurt, Tel. 069 / 97 11 23.

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